krebsgesellschaft.de, 24.06.2015
ASCO 2015
Operative Therapie des malignen Melanoms
Die komplette Sentinel-Lymphknotendissektion ist bei Patienten mit einem malignen Melanom und positiver Lymphknotenbiospie Standard. Die Ergebnisse einer deutschen Phase-III-Studie könnten nun einen Paradigmenwechsel einleiten, denn sie zeigen, dass das Überleben durch dieses Vorgehen nicht verbessert wird. Co-Autor Prof. Claus Garbe (Tübingen) sprach auf einer Pressekonferenz vom „Anfang vom Ende einer allgemeinen Empfehlung zur kompletten Lymphknotendissektion bei Patienten mit positiven Wächterlymphknoten“.
Die Studie der Arbeitsgemeinschaft Dermatologische Onkologie (DeCOG) untersuchte den Einfluss einer kompletten Entfernung des Wächterlymphknotens auf das Überleben bei Patienten mit einem malignen Melanom im Stadium III und positiver Lymphknoten-Biopsie. Primärer Endpunkt war das fernmetastasenfreie Überleben. Sekundäre Endpunkte umfassten das rezidivfreie und melanomspezifische Überleben. [1]
Insgesamt wurden 473 Patienten in Gruppen randomisiert. Bei 240 erfolgte die operative Entfernung des Sentinel-Lymphknotens, die anderen 233 wurden engmaschig beobachtet. Die Mehrheit der Teilnehmer war männlich (61,6%), das Alter lag im Median bei 56,5 Jahren. Überwiegend war das Melanom am Körperstamm lokalisiert (52,2%), die Tumordicke betrug bei über zwei Drittel der Patienten zwischen 1,01mm und 4,0mm.
Kein Überlebensvorteil
Nach
einem medianen Follow-up von 34 Monaten zeigte sich in keinem der
untersuchten Parameter für das Überleben ein Vorteil für die radikale
Lymphknoten-Operation. Im Prüfarm waren 36 (15%) und im Beobachtungsarm
38 Patienten (16,3%) an dem Progress des Melanoms verstorben. Beim
fernmetastasenfreien Überleben zeigte sich mit 80,1% vs. 80,4% kein
Unterschied (HR=1,02; p=0,92). Auch beim rezidivfreien Überleben
schnitten beide Gruppen gleich ab (69,1 vs. 71,6%; HR=0,89; p=0,52),
ebenso wie beim melanomspezifischen Überleben (82,7% vs. 84,3%; HR=1,01;
p=0,98). Die operierten Patienten entwickelten jedoch signifikant
seltener regionäre Lymphknotenmetastasen (8,3% vs. 14,6%; P=0,029).
Methodische Schwächen
Die
Autoren wiesen auf methodische Schwächen der Studie hin. So war ein
signifikantes Ergebnis beim fernmetastasenfreien Überleben als
Unterschied von mehr als 10% definiert worden. Dieser Wert wurde nicht
erreicht, da weniger Patienten rekrutiert wurden als geplant. Die Power
der Studie reduzierte sich dadurch von 80% auf 75%. Eine weitere
Auswertung ist zum Zeitpunkt von drei Jahren nach Einschluss des letzten
Patienten geplant (letzter Einschluss Dezember 2014). Die gleiche
Fragestellung wird in einer weiteren großen Studie untersucht
(MSLT-II-Studie).
Überleben verbessert sich mit größerem Sicherheitsabstand
Eine
andere Studie evaluierte das Gesamtüberleben beim primären
Hochrisiko-Melanom in Abhängigkeit vom Sicherheitsabstand bei der
Resektion des Tumors. Eine erste Auswertung der Studie hatte gezeigt,
dass ein enger Schnittrand mit einem Anstieg an lokoregionären Rezidiven
korrelierte. Jetzt wurden Langzeitergebnisse berichtet. [2]
Insgesamt 900 Patienten wurden randomisiert, entweder mit einem Sicherheitsabstand von 1cm (n=453) oder 3cm (n=447) operiert. Nach einem medianen Follow-up von 8,8 Jahren waren 494 Patienten verstorben, 359 aufgrund des Progress des Melanoms (1cm: n=194, 3cm: n= 165). Beim Gesamtüberleben zeigte sich kein signifikanter Unterschied (HR=1,14; p=0,14). Jedoch profitierten Patienten mit größerem Sicherheitsabstand mit einer signifikanten Verlängerung des melanomspezifischen Überlebens (HR=1,24; p=0,05). Die relative melanomspezifische Mortalitätsrate war in der 1cm-Gruppe um 23% höher als in der 3cm-Gruppe (HR=1,23; p=0,04).
Fazit:
In
der DeCOG-Studie wurde bei Melanom-Patienten mit positivem
Wächterlymphknoten kein Überlebensvorteil durch die komplette
Lymphknotendissektion erreicht. Lediglich die Kontrolle regionaler
Lymphknoten wurde signifikant verbessert. Die Daten haben eine hohe
klinische Relevanz, da eine Lymphknotendissektion mit dem Risiko von
bleibenden Nervenschäden und Lymphödemen einhergeht. Ob die radikale
Lymphknotenentfernung insgesamt in Frage steht oder nur bei
Niedrig-Risikopatienten, bleibt zu diskutieren. Die zweite Studie konnte
zeigen, dass ein größerer Sicherheitsabstand bei der operativen
Entfernung eines Hochrisiko-Melanoms mit einem signifikant verlängerten
melanomspezifischen Überleben einhergeht. Ein Vorteil beim
Gesamtüberleben war nicht erkennbar.
In Zusammenarbeit mit Prof. Jürgen C. Becker, Essen
Quellen:
[1] Leiter U et al. Survival of SLNB-positive melanoma patients with and without complete lymph node dissection: A multicenter, randomized DECOG trial. J Clin Oncol 33, 2015 (suppl; abstr LBA9002); oral presentation
[2] Thomas JM et al. Excision margins in high-risk malignant melanoma. N Engl J Med. 2004 Feb 19;350(8):757-66
[3] Hayes AJ et al. Long term follow up of survival in a randomised trial of wide or narrow excision margins in high risk primary melanoma. J Clin Oncol 33, 2015 (suppl; abstr 9001); oral presentation