krebsgesellschaft.de, 20.11.2014

ESMO 2014

ESMO 2014: Neues zum Einsatz von Viro- und Immunotherapeutika

Der ESMO 2014 zeigte einmal mehr, dass sich die aktuelle dermatologische Forschung aus der Entdeckung spezifischer Marker und Schlüsselproteine in der Grundlagenforschung sowie den Erkenntnissen aus Immunologie und Virologie ableitet und sich der Fokus in der Patientenbehandlung zunehmend von den klassischen, rein empirisch etablierten Therapien hin zu der individuellen Behandlung von Patient und Tumorart entwickelt.

Phase-I-Studie mit Sonidegib und Buparlisib
So wurde eine Phase-I-Studie mit Sonidegib und Buparlisib bei Patienten mit soliden Tumoren [1] vorgestellt, die sich beispielsweise zu Nutzen macht, dass Signaltransduktionswege in der Wachstums- und Differenzierungsprozess von Zellen identifiziert und deren Fehlregulation als ursächlich für die Entartung von Zellen erkannt wurden.
In früheren Phase-I-Studie bewiesen Sonidegib (LDE225) und Buparlisib (BKM120) bereits antitumorale Aktivität durch selektives Eingreifen in zentrale Abschnitte solcher fehlgeleiteter Zellregulationszyklen, indem LDE225 an den Oberflächenrezeptor Smoothened im Hedgehog (Hh)-Transduktionsweg bindet und damit die Bildung bzw. Ausdehnung von Neoplasmen blockiert, während BKM120 als selektiver Antagonist der Phosphatidylinositol-3-Kinasen fungiert.

In der aktuellen Phase-I-Studie wurde nach der maximal tolerierbaren Dosis (Dosiseskalation/Maximum Tolerated Dose -MTD) sowie der empfohlenen Dosis (Dosisexpansion/Recomanded Dose Expansion - RDE) der Kombination beider Antagonisten gesucht. Endpunkte der Studie waren Verträglichkeit und Wirksamkeit. Dazu wurden 46 Patienten in 5 Kohorten eingeteilt und mit jeweils unterschiedlichen Dosen des Kombinationspräparates behandelt. 95,7% der Patienten schieden im Verlauf aufgrund einer Progression ihrer Tumorerkrankung sowie unerwünschter Ereignisse (wie erhöhte Alanin- und Aspartat-Aminotransferase-, Kreatinphosphokinase-, Alkalinphosphatasewerten, Hyperglykämien, Übelkeit, Fatigue und Aphasien) vorzeitig aus der Studie aus. Die Toxizitäten bei den übrigen Patienten entsprach denen vorhergehender Studien, die maximal tolerierbare Dosis wurde bei keinem der Patienten erreicht. Pharmakokinetisch verhielt sich das Kombinationspräparat individuell unterschiedlich, insgesamt aber vergleichbar gegenüber den Einzelagentien.

Einfluss einer Behandlung mit LDE225 auf die Lebensqualität
Der Einfluss einer Behandlung mit LDE225 auf die Lebensqualität bei Patienten mit fortgeschrittenem Basalzellkarzinom wurde in einer Phase-II-Studie [2] untersucht, der zugrunde lag, dass bei ≥ 95% der Basalzellkarzinomen eine Fehlregulation des Hedgehog-Signalweges als Ursache für die unkontrollierte Proliferation der Tumorzellen vorliegt. In einem neoadjuvanten Setting wurden Patienten mit fortgeschrittenem bzw. metastasiertem Basalzellkarzinom randomisiert mit 200mg bzw. 800mg/d LDE225 behandelt. Mit Hilfe von skalierten Fragebögen (European Organisation for Research and treatment of Cancer Quality of Life Questionnaire „EORTC QLQ-C30“ und dem assoziierten Head and neck cancer module „H&N35“) zum Zeitpunkt Tag 0 (Baseline) und im Studienverlauf wurden Veränderungen in körperlichen und sozialen Aktivitäten, Schmerz und Fatigue (C30) sowie Kopf-, Nackenschmerzen und Gewichtsverlust (H&N35) protokolliert. In beiden Patientengruppen zeigte sich ein dosisunabhängiger Erhalt bzw. eine Verbesserung der Lebensqualität zur Woche 73. Im Mittel verschlechterten sich bei Patienten, die mit 200mg LDE225 behandelt wurden, erst nach 13.7 (Fatigue) bzw. 16.6 Monaten (Gewichtsverlust) die Symptome und bei denen der 800mg-Gruppe nach 11.1, 11.3, 5.6 und 16.5 Monaten körperliche und soziale Aktivität, Fatigue und Gewichtsverlust. Insgesamt scheint also Sonidegib auch signifikant die Lebensqualität der behandelten Studienpatienten zu verbessern.

Vergleich Virotherapeutikum und Cytokinbbehandlung
Einen etwas anderen Ansatz verfolgte eine Erweiterung zur OPTiM-Studie, bei der eine Virotherapeutikum- mit einer Cytokinbbehandlung verglichen wurde.T-VEC-/Modifizierten Herpes-simplex-Viren replizieren sich selektiv in Tumorzellen und induzieren die Lyse der Zellen. Ebenso kodierte der modifizierte Virus für das Zytokin GM-CSF, welches eine antitumorale Immunantwort stimuliert. In der Ursprungsstudie wurde erstmals bei Patienten mit fortgeschrittenem Melanom Stadium IIIB-IV gezeigt, dass T-VEC über einen Zeitraum von ≥ 6 Monate das dauerhafte Ansprechen und die Ansprechrate signifikant gegenüber GM-CSF verbessert. Die Patienten wurden 2:1 randomisiert mit T-VEC (2-wöchentlich) bzw. GM-CSF (4-wöchentlich) behandelt. 

In der nun vorliegenden „OPTiM“-Erweiterungsstudie [3] wurden 30 (27 T-VEC, 3 GM-CSF) der initialen 436 Patienten in ihrer ursprünglichen Sub-/Randomgruppe weiterbehandelt. Selektionskriterien waren: a) Überdauern der maximal erlaubten Behandlungszyklen der OPTiM-Studie ohne Tumorprogression oder b) komplettes Ansprechen in der OPTiM-Studie und erst in den darauffolgenden 12 Monaten eine Entwicklung von neuen Läsionen. Primär wurde die Verträglichkeit, aber auch die Wirksamkeit von T-VEC im Vergleich zu GM-CSF über diesen verlängerten Zeitraum untersucht. T-VEC erwies sich insgesamt als gut verträglich. In beiden Subgruppen waren leichtes Fieber und Schüttelfrost die am häufigsten aufgetretenen unerwünschten Ereignisse (UE). Hinsichtlich Wirksamkeit konnten vielversprechende Ergebnisse erzielt werden. In dem jeweiligen Behandlungszeitraum (± 91 Wochen T-VEC; ± 100 Wochen GM-CSF) zeigten in der T-VEC-Gruppe 16,3% ein komplettes Ansprechen (im Vergleich zu 0,7% bei GM-CSF), 31,5% eine objektive Ansprechrate (1,4% bei GM-CSF) und 19,3% eine dauerhafte Ansprechrate (1,4% bei GM-CSF). 
Ähnlich wie T-VEC induziert auch ein anderes Virotherapeutikum, das Coxsackivirus A21 (CAVATAK), eine Immunantwort nach vorausgehender Zellyse.
Bei 57 Patienten mit behandeltem oder unbehandeltem, aber nicht operablen Melanom des Stadiums IIIC-IVM1c wurde die Sicherheit und Wirksamkeit dieser Behandlung in der Phase-II-CALM-Studie [4] untersucht, in dem CAVATAK direkt in den Tumor injiziert wurde. 37,3% der Studienpatienten erreichten den primären Endpunkt, 61,5% überlebten 1 Jahr bei nur geringen unerwünschten Nebenwirkungen (Grad 1), wie Fatigue, Schüttelfrost und Fieber. Die beeindruckende Wirkung und die geringen Toxizitäten, sowohl von T-VEC als auch von CAVATAK, machen weitere Studien mit onkolytischen Viren in Kombination mit den ebenfalls sehr erfolgversprechenden Immuncheckpoint-Inhibitoren, wie z.B. Anti-CTLA-4- oder Anti-PD1-Antikörper, dringend nötig.
 
Quellen:
[1] Q. Chu et al.: ESMO 2014: Abstr. 445O
[2] R. Dummer et al.; ESMO 2014: Abstr. 1125P
[3] J. J. Nemunaitis et al.; ESMO 2014: Abstr. 1102P
[4] R. H. Andtbacka et al.; ESMO 2014: Abstr. 1103P
 
(ew)

 
In Zusammenarbeit mit Prof. Jürgen Becker, Essen