krebsgesellschaft.de, 26.07.2011

EHA & ASCO 2011

Hochdosistherapie beim multiplen Myelom

Neue Substanzen wie Thalidomid, Lenalidomid oder Bortezomib in Kombination mit Alkylanzien induzieren hohe Remissionsraten beim multiplen Myelom (MM). Daher stellt sich die Frage nach dem Stellenwert der Stammzelltransplantation in der modernen Therapie des MM. Es wäre wünschenswert, körperlich belastende Transplantationsregimes durch Verfahren mit geringeren Nebenwirkungen zu ersetzen, so lange keine Einbußen bei der Wirksamkeit in Kauf genommen werden müssen. Auf dem ASCO 2011 und dem EHA 2011 wurde die erste prospektive randomisierte Studie dazu vorgestellt. Sie verglich eine konventionelle Chemotherapie inklusive moderner Substanzen mit der Kombination aus hochdosiertem Melphalan plus autologer Stammzelltransplantation [1, 2].

Längeres PFS unter Stammzelltransplantation plus Melphalan
Alle Patienten mit neudiagnostiziertem MM wurden als Induktion mit vier 28-tägige Zyklen mit Lenalidomid (25 mg, Tage 1-21) und Dexamethason (40 mg, Tage 1, 8, 15 und 22) behandelt. Anschließend wurden sie auf zwei Studienarme randomisiert. Die Behandlung im MPR-Arm (n=202) bestand aus sechs 28-tägigen Zyklen mit Melphalan (0,18 mg/kg, Tage 1-4), Prednison (2 mg/kg, Tage 1-4) und Lenalidomid (10 mg, Tage 1-21). Im MEL200-Arm (n=200) wurde die hochdosierte Melphalan-Therapie (200 mg/m2) mit einer autologen Stammzelltransplantation kombiniert. Als primärer Endpunkt diente das progressionsfreie Überleben (PFS).

Beide Gruppen sprachen gleich gut auf die Therapie an, sowohl bezüglich mindestens sehr guter partieller Remissionen (MPR: 60% vs. MEL200: 58%; p=0,24) als auch Komplettremissionen (MPR: 20% vs. MEL200: 25%; p=0,49). Hingegen zeigte sich im MEL200-Arm ein signifikant besseres PFS als durch MPR induziert (Abbildung 1). Nach einer medianen Beobachtungszeit von 18 Monaten betrug es 68% in der MPR-Gruppe und 78% in der MEL200-Gruppe (p=0,006) und bei 24 Monaten 59% bzw. 75% (p=0,005). Bei Patienten mit Komplettremissionen war das 18-Monats-PFS deutlich verlängert. Es betrug unter MPR 90% und unter MEL200 87%, verglichen mit 66% bzw. 76% bei Patienten mit schlechterem Ansprechen. Das OS unterschied sich weder nach 18 Monaten (MPR: 91% vs. MEL200: 95%; p=0,073) noch nach 24 Monaten medianer Beobachtungszeit (MPR: 95% vs. MEL200: 97%; p=0,18).

Höhere Toxizität unter Stammzelltransplantation plus Melphalan
Der Vergleich der unerwünschten Nebenwirkungen zeigte signifikante Unterschiede zwischen beiden Gruppen und fiel deutlich zu Gunsten der Hochdosistherapie aus. Denn in der MPR-Gruppe traten signifikant mehr Grad-3/4-Nebenwirkungen auf als in der MEL200-Gruppe. Dies betraf sowohl Neutropenien (89% vs. 55%, p<0,001), Infektionen (17% vs. 0%, p<0,001) und gatsrointestinale Symptome (21% vs. 0%, p<0,001). Auch Thrombozytopenien und systemische Beeinträchtigungen waren unter MPR signifikant häufiger (beides p<0,001). Keine signifikanten Unterschiede wurden beim Auftreten von Venenthrombosen (1,13% vs. 2,44%, p=0,43) und Sekundärtumoren (0,005% in beiden Gruppen) festgestellt.

Trotz dieser höheren Toxizität spricht der gezeigte progressionsfreie Überlebensvorteil der Hochdosistherapie dafür, sie weiterhin als Therapiestandard beizubehalten. Somit erfüllt die Stammzelltransplantation weiterhin eine wichtige Funktion in der Behandlung des MM.

(emw)

Quellen:
[1] Boccadoro M et al. Melphalan/prednisone/lenalidomide (MPR) versus high-dose melphalan and autologous transplantation (MEL200) in newly diagnosed multiple myeloma (MM) patients: A phase III trial. J Clin Oncol 2011;29(Suppl): Abstract 8020
[2] Palumbo A et al. Melphalan/prednisone/lenalidomide (MPR) versus high-dose melphalan and autologous transplantation (MEL200) in newly diagnosed multiple myeloma patients: A phase III study. EHA 2011

In Zusammenarbeit mit Prof. Dr. Hartmut Goldschmidt, Heidelberg