krebsgesellschaft.de, 10.07.2014

ASCO Annual Meeting 2014

ASCO Annual Meeting 2014: ED-SCLC: Prophylaktische Hirnbestrahlung ohne Überlebensvorteil

Seit einigen Jahren wird die prophylaktische Hirnbestrahlung (PCI, prophylactic cranial irradiation) bei Patienten mit fortgeschrittenem kleinzelligen Lungenkarzinom (SCLC) zur Reduktion des Risikos der Hirnmetastasierung eingesetzt. Eine am ASCO 2014 präsentierte Phase-3-Studie aus Japan stellt dieses Vorgehen nun in Frage und zeigt sogar einen möglicherweise nachteiligen Effekt auf das Gesamtüberleben.

Hintergrund: Zur Reduktion des Risikos einer Hirnmetastasierung ist seit vielen Jahren bei Patienten mit LD-SCLC (limited disease) und Ansprechen auf die Primärtherapie eine PCI etabliert. Seit einigen Jahren konnte dieses Vorgehen auch auf Patienten mit ED-SCLC (extended disease) und Ansprechen auf die Chemotherapie ausgeweitet werden. Grundlage dafür war die Studie von Slotman B et al. (NEJM 2007), in der die PCI das Auftreten von Hirnmetastasen reduziert und das Gesamtüberleben verlängert hatte. Allerdings wurden methodische Kritikpunkte an der Studie laut, wie das Fehlen einer MRT zum Ausschluss von Hirnmetastasen vor Studieneinschluss, die platinfreie Induktionschemotherapie sowie eine variable Dosierung und Fraktionierung bei der Bestrahlung.

In der aktuellen methodisch sicherlich besser durchgeführten Phase-3-Studie aus Japan erhielten Patienten mit ED-SCLC nach Ansprechen auf eine platinhaltige Chemotherapie eine Ganzhirnbestrahlung (10 Fraktionen, 25 Gy Gesamtdosis) oder wurden lediglich beobachtet. Vor dem Studieneinschluss war ein Schädel-MRT zum Ausschluss einer zerebralen Metastasierung zwingend.

Nach einer geplanten Zwischenanalyse von 163 auswertbaren Patienten (84 im Bestrahlungsarm, 79 im Beobachtungsarm, 111 Todesfälle) wurde die Rekrutierung vorzeitig abgebrochen. Geplant waren 330 Patienten, um eine Hazard-Ratio von 0,75 mit einer statistischen Power von 80% zugunsten der Bestrahlung zu zeigen. Trotz signifikanter Verzögerung des Auftretens zerebraler Metastasen (32,4% vs. 58% nach 12 Monaten, p<0,001) war das Gesamtüberleben (primärer Endpunkt) im Bestrahlungsarm tendenziell sogar schlechter als im Beobachtungsarm (10,1 vs. 15,1 Monate, p=0,091). Damit war der primäre Endpunkt nicht erreicht worden. Das progressionsfreie Überleben war in beiden Armen ähnlich (median 2,2 vs. 2,4 Monate). Eine Zunahme von Grad-2-Toxizitäten wurde im Bestrahlungsarm nicht beobachtet.

Zusammenfassender Kommentar: Die prophylaktische Ganzhirnbestrahlung hat auf das Gesamtüberleben bei Patienten mit ED-SCLC und sicher ausgeschlossener Hirnmetastasierung im MRT keinen vorteilhaften, möglicherweise sogar einen negativen Effekt auf das Gesamtüberleben. Diese Ergebnisse stehen in deutlichem Kontrast zur Studie von Slotman et al., in der vor Studieneinschluss kein Schädel-MRT erfolgt war, so dass angenommen werden kann, dass ein Teil der Studienteilnehmer bereits asymptomatische Hirnmetastasen hatten und entsprechend therapeutisch und nicht prophylaktisch bestrahlt wurde. Auf Basis der methodisch zuverlässigeren Daten der aktuellen Studie von Seto et al., sollte die Praxis der prophylaktischen Hirnbestrahlung bei metastasiertem kleinzelligen Karzinom – auch bei Vorliegen einer Remission - verlassen werden.  

Quelle:

  1. Sato T et al. Prophylactic cranial irradiation (PCI) has a detrimental effect on the overall survival (OS) of patients (pts) with extensive disease small cell lung cancer (ED-SCLC): Results of a Japanese randomized phase III trial. J Clin Oncol 32:5s, 2014 (suppl; abstr 7503).

(re)

In Zusammenarbeit mit Dr. David Heigener, Großhansdorf