krebsgesellschaft.de, 17.10.2011

ECCO 2011

Cetuximab bei NSCLC: Hohe EGFR-Expression (H-Score) als prädiktiver Marker

Bisher ist der monoklonale Antikörper Cetuximab (Erbitux®) in Europa zugelassen in der Therapie des metastasierten kolorektalen Karzinoms und bei metastasierten oder lokal fortgeschrittenen Tumoren im Kopf-Hals-Bereich. Dass auch Patienten mit fortgeschrittenem NSCLC von Cetuximab zusätzlich zur Standardchemotherapie profitieren, hatte bereits die frühere Phase-III-Studie FLEX gezeigt. Nun hat man gesehen, dass insbesondere die Patienten mit hoher EGFR-Expression, gemessen mit einem neuen Expressionsmarker (H-Score), von der zielgerichteten Substanz profitieren.


Platinbasierte Chemotherapien sind Standard in der Behandlung nicht-kleinzelliger Bronchialkarzinome (NSCLC), erweitert wird das Therapiespektrum in der First-Line-Therapie in den letzten Jahren durch neue Substanzen, zum Beispiel den VEGF-Antikörper Bevacizumab oder Pemetrexed, die aber vorwiegend bei Nicht-Plattenepithelkarzinomen indiziert sind.


Unabhängig von der Tumorhistologie zeigte sich durch die zusätzliche Gabe des monoklonalen Antikörpers Cetuximab bei nichtkleinzelligem Bronchialkarzinom (NSCLC) in der Phase-III-Studie FLEX, eine Verlängerung des medianen Gesamtüberlebens. Der Überlebensvorteil in der Gesamtpopulation war zwar signifikant, wobei die Ergebnisse bisher nicht zu einer Zulassung durch die Zulassungsbehörden geführt haben.


Die FLEX-Studie im Überblick


An der  internationalen, randomisierten Phase-III-Studie FLEX nahmen insgesamt 1125 Chemotherapie-naive Patienten mit NSCLC aller Histologien im Stadium IIIB/IV teil. 557 Patienten erhielten Cetuximab in Kombination mit einer platinbasierten Chemotherapie, 568 eine alleinige Chemotherapie. Das Gesamtüberleben war in der Cetuximab-Gruppe mit 11,3 Monaten gegenüber 10,1 Monaten signifikant länger (p=0,04; Hazard-Ratio (HR): 0,87). Zudem war die Ansprechrate mit Cetuximab signifikant höher und betrug 36% gegenüber 29% (p=0,01) [2].


Um die Patienten zu identifizieren, die von der zusätzlichen Therapie mit Cetuximab profitieren, lag es nahe die Expression des epidermalen Wachstumsfaktorrezeptors (EGFR) zu überprüfen, da die Wirkung von Cetuximab auf der Blockade des EGF-Rezeptors beruht.


Patienten mit hoher EGFR-Expression identifiziert


Bereits zu Studienbeginn wurde bei 1121 Teilnehmern der FLEX-Studie (99,6%) eine immunhistochemische Analyse des Tumorgewebes durchgeführt. Dabei wurde ein neuer Expressionsmarker (H-Score) durch Korrelation der Expressionsintensität mit dem Anteil der EGFR positiven Zellen etabliert. Beim ECCO 2011 wurde eine retrospektive Auswertung der Studie mit Bezug auf diesen Biomarker vorgestellt: Man teilte die Patienten in zwei Gruppen: Solche mit einem hohen EGFR H-Score (n=345; 30,8%) und solche mit einem niedrigen EGFR H-Score und verglich das Gesamtüberleben in den beiden Gruppen jeweils mit und ohne Cetuximab.


Es zeigte sich, dass die Patienten mit hohem EGFR H-Score signifikant besser von der zusätzlichen Gabe des EGFR-Hemmers profitierten. Das Gesamtüberleben wurde bei diesen Patienten durch Cetuximab im Median auf 12,0 gegenüber 9,6 Monaten verlängert (Hazard-Ratio: 0,73; p=0,011). Während in der Gruppe mit niedrigem EGFR-H-Score kein signifikanter Überlebensvorteil nachweisebar war (9,8 vs. 10,3 Monate; HR:0,99; p=0,88).


Prädiktiver Marker gilt unabhängig von der Tumorhistologie


Der Überlebensvorteil für die Patienten mit hohem EGFR-Level wurde bei allen Tumorentitäten gesehen. Die Patienten mit Adenokarzinom und hohem EGFR H-Score lebten fast sieben Monate länger, wenn sie zusätzlich zur Chemotherapie Cetuximab erhalten haben (20,2 vs. 13,6 Monate; HR: 0,74). Aber auch Patienten mit Plattenepithelkarzinom und hohem EGFR H-Score lebten mit Cetuximab median 11,2 Monate im Vergleich zu 8,9 Monaten ohne Cetuximab (HR: 0,62). Bei den Patienten mit anderer Tumorhistologie ergab sich ein Unterschied von 8,0 versus 7,6 Monaten (HR: 0,75).


Die zusätzliche Gabe von Cetuximab verlängert demnach bei Chemotherapie-naiven Patienten mit fortgeschrittenem NSCLC und hohem EGFR H-Score das Gesamtüberleben unabhängig von der Tumorhistologie. Dies war nicht unbedingt zu erwarten, denn gerade Patienten mit Plattenepithelkarzinom profitieren von anderen zielgerichteten Therapien nach heutigem Kenntnisstand häufig nicht.


EGFR-Test in der Praxis


Die potenzielle Patientengruppe, die von einer zusätzlichen Cetuximab-Therapie profitieren könnte, hat eine im klinischen Alltag relevante Größe. Bei etwas mehr als einem Drittel der Patienten findet man eine hohe EGFR-Expression, wie sie in der Studie definiert wurde.

Der Marker, erhöhte EGFR-Expression entsprechend dem H-Score, wird im Rahmen einer immunhistologischen Untersuchung des Tumors erhoben, insofern wäre eine Implementierung in den klinischen Alltag gut möglich. Zudem liegen die Ergebnisse einer solchen Messung in der Regel schnell vor.


Ein Antrag auf Indikationserweiterung für die Zulassung von Cetuximab in Kombination mit platinbasierter Standardchemotherapie in der Erstlinienbehandlung von Patienten mit fortgeschrittenem oder metastasiertem NSCLC mit einer hohen EGFR-Expression wurde nach Angaben des Herstellers bei der europäischen Arzneimittelagentur (EMA) eingereicht.


Quellen:
[1] O’Byrne K, et al. ECCO 2011;Abstract #9000.
[2] Pirker R, et al. Lancet 2009;373:1525–31.


(bma)

In Zusammenarbeit mit PD Dr. Martin Reck, Großhansdorf