krebsgesellschaft.de, 12.02.2015

ASH 2014

Carfilzomib: Interimsergebnisse aus der ASPIRE-Studie

Hintergrundinformationen: Carfilzomib ist nach Bortezomib der zweite, 2012 in die Therapie eingeführte Proteasomeninhibitor zur Behandlung des rezidivierenden multiplen Myeloms. In der ASPIRE-Studie (NCT01080391) wird er zusammen mit Lenalidomid und Dexamethason gegeben und mit der Standardtherapie aus Lenalidomid und Dexamethason (Kontrollgruppe) verglichen. Der primäre Endpunkt der Studie ist die progessionsfreie Überlebenzeit (PFS); sie wird von einem unabhängigen Sachverständigengremium ermittelt. Sekundäre Endpunkte sind die Gesamtüberlebenszeit (OS), das Gesamtansprechen (ORR), die Dauer des Ansprechens (DOR), die gesundheitsbezogene Lebensqualität (EORTC QLQ-C30 Global Health Status/QoL) und die Verträglichkeit.

Methodik: Vorbehandelte Patienten mit einem rezidivierten multiplen Myelom, die zuvor ein, zwei oder drei Therapieregimes erhalten hatten, waren für die Studie geeignet. Die Teilnehmer wurden im Verhältnis 1:1 randomisiert und der Carfilzomib- bzw. der Kontrollgruppe zugewiesen. Weiter erfolgte eine Stratifizierung anhand der β2-Mikroglobulinspiegel (<2,5 vs ≥2,5 mg/L) und einer früheren Bortezomib- bzw. Lenalidomidexposition (jeweils nein vs. ja).

Alle Patienten erhielten während eines 28-tägigen Behandlungzyklus 25 mg Lenalidomid an den Tagen 1–21 und 40 mg Dexamethason an den Tagen 1, 8, 15 und 22. In der Carfilzomibgruppe gab es insgesamt 18 Behandlungszyklen mit diesem Wirkstoff; Carfilzomib wurde zusätzlich in einer 10-minütigen Infusion an den Tagen 1, 2, 8, 9, 15, and 16 verabreicht; dies während der Behandlungszyklen 1–12 (20 mg/m2 an den Tagen 1 und 2 im ersten Zyklus; 27 mg/m2 danach); Carfilzomib entfiel am 8. und 9. Tag der Zyklen 13–18 und wurde nach 18 Zyklen ganz abgesetzt.  Die Behandlungszyklen wurden fortgesetzt bis die Erkrankung fortschritt; abgebrochen wurde, weil nicht vertretbare Nebenwirkungen auftraten oder der Patient seine Einwilligung widerrief.

Die Studie hat 90% Power, um eine 25% Risikominderung für das progressionsfreie Überleben in der Carfilzomibgruppe im Vergleich zum Standard nachzuweisen (Hazard Ratio (HR)=0.75), dies bei einem einseitigen Signifikanzniveau von 0,025. Zum Vergleich der progressionsfreien Überlebenszeiten wurde ein stratifizierter Log-Rank Test eingesetzt.

Ergebnisse: 792 Patienten aus 20 Ländern wurden randomisiert. Wesentliche Unterschiede im Patientenkollektiv zwischen den Gruppen gab es nicht. Die Altersspanne reichte von 31 bis 91 Jahren; der Median betrug 64 Jahre. Die Patienten waren in der Regel mit 2 Therapieschemata vorbehandelt, je 66% in beiden Gruppen hatten zuvor Bortezomib erhalten, je 20% Lenalidomid.  In der Carfilzomibgruppe erhielten die Patienten im Mittel 22 Behandlungszyklen, in der Kontrollgruppe 14 Zyklen.

Bei der vorher festgelegten Zwischenanalyse wurde der primäre Endpunkt für das progressionsfreie Überleben (PFS) erreicht (HR=0,69; 95% KI 0,57–0,83; P<0,0001): Der Median für die Zeitspanne ohne Krankheitsprogression war in der Carfilzomibgruppe auf 26,3 Monate verlängert (95% KI: 23,3–30,5); in der Kontrollgruppe betrug die Spanne dagegen 17,6 Monate (95% KI: 15,0–20,6).

Lediglich einen Trend hin zu einer Verlängerung  (HR=0,79; 95% KI: 0,63–0,99) gab es unter Carfilzomib bei der Gesamtüberlebenszeit (OS); P=0,018), die für die Interimsanalyse festgelegten Grenzen (P=0,005) wurden verfehlt. Der Anteil von ereignislosen Verläufen der Kaplan-Meier Kurven betrug nach 24 Monaten 73,3% (Carfilzomib; 95% KI: 68,6‒77,5) und 65,0% (Kontrolle; 95% KI: 59,9‒69,5).

Die Ansprechrate insgesamt betrug unter Carfilzomib 87,4% (95% KI: 83,7–90,5) und 66,9% (95% KI: 62,0–71,5) in der Kontrollgruppe. Die Patienten sprachen 28,6 Monate lang auf das Carfilzomibprotokoll an (Median DOR, 95% KI: 24.9–31.3) in der Kontrollgruppe waren es 21,2 Monate (95% KI: 16,7–25,8). In der Carfilzomib- bzw. Kontrollgruppe gab es beträchtliche Unterschiede im Ausmaß des Anspechens: 31.8% (Carfilzomib) vs. 9.4% entwickelten einen "stringent complete response" (sCR) oder "complete response" (CR) (sCR: 14,1% vs. 4,3%; CR: 17,7% vs. 5,1%), 70,4% (Carfilzomib) bzw. 40,7% zeigten einen "≥very good partial response".  Im Carfilzomibprotokoll verbesserten sich "Global Health Status/QoL" über 18 Behandlungszyklen kontinuierlich (P=0,0001). Behandlungsabbrüche bedingt durch Nebenwirkungen (AE) gab es im Carfilzomibprotokoll bei 15.2% und in der Kontollgruppe bei 17.4% der Patienten. 7,7% bzw. 8.5% der Patienten verstarben während der Therapie oder 30 Tage nach der letzten Medikamentendosis.

Die häufigsten, behandlungsbedingten schwerwiegenden Nebenwirkungen  (≥Grad 3) waren Neutropenie (29,6% vs. 26,5%), Anämie (17,9% vs. 17,2%) und Thrombozytopenie (16,6% vs. 12,3%). Nicht-hämatologische Nebenwirkungen aller Schweregrade waren Durchfälle (42,3% vs. 33,7%), Erschöpfung (32,9% vs. 30,6%) und Husten (28,8% vs. 17,2%). Die häufigsten schwerwiegenden nicht-hämatologischen Nebenwirkungen waren Pneumonien (12,5% vs. 10,5%), Hypokaliämien (9,4% vs. 4,9%) und Hypophosphatämien (8,4% vs. 4,6%). Andere relevante Nebenwirkungen (alle Schweregrade) waren Dyspnoe (22,4% vs. 18,0%), Hypertonie (14,3% vs. 6,9%; Grad 3: 4,3% vs. 1,8%), akutes Nierenversagen (8,4% vs. 7,2%), Herzversagen (6,4% vs. 4,1%) und ischämische Herzkrankheit (5,9% vs. 4,6%). Periphere Neuropathien (PN) waren mit 17,1% bzw. 17,0% vertreten; schwere Verläufe(≥Grad 3 PN) waren weniger häufig (2,6% bzw. 3,1%).

Zusammenfassung und Bewertung: Wenn der Proteasomeninhibitor Carfilzomib zusammen mit Lenalidomib und Dexamethason, einer Standardtherapie des multiplen Myeloms, gegeben wurde, führte dies zu einer statistisch signifikanten und klinisch relevanten Verlängerung der Überlebenszeit ohne Krankheitsprogression; allerdings erfuhren die Patienten in der Carfilzomibgruppe mit 22 Behandlungszyklen eine intensivere Behandlung. Besonders bemerkemswert war der Zugewinn an Lebensqualität unter dem Carfilzomibprotokoll. Generell unterstreicht das Studienergebnis, dass das multiple Myelom durch neue Medikamente und verbessertes Management zunehmend eine chronische Erkrankung wird.

 

(mb)

Quellen:
[1] Keith Stewart et al.: Carfilzomib, Lenalidomide, and Dexamethasone vs Lenalidomide and Dexamethasone in Patients (Pts) with Relapsed Multiple Myeloma: Interim Results from ASPIRE, a Randomized, Open-Label, Multicenter Phase 3 Study. ASH 2014, San Francisco, Abstract 79
[2] https://clinicaltrial.gov
[3] Keith Stewart et al.: Carfilzomib, Lenalidomide, and Dexamethasone for Relapsed Multiple Myeloma. N Engl J Med 2015; 372:142-152 January 8, 2015 DOI: 10.1056/NEJMoa1411321

 

In Zusammenarbeit mit Prof. Hartmut Goldschmidt, Heidelberg