krebsgesellschaft.de, 13.02.2012

ASH 2011

Lenalidomid bei älteren Patienten mit Multiplem Myelom

Längeres PFS unter Lenalidomid-Induktion und -Erhaltung

Lenalidomid ist ein Immunmodulator, der einerseits zur Apoptose von Tumorzellen führt und andererseits den Tumor in Remission halten könnte. Der Wirkstoff bietet daher möglicherweise Vorteile für Patienten mit neu diagnostiziertem Multiplen Myelom. Ein internationales Wissenschaftlerteam überprüfte dies in einer Phase-III-Studie. Auf dem Kongress der American Society of Hematology (ASH) 2011 in San Diego stellten Palumbo et al. aktuelle Ergebnisse dieser Studie vor.

Untersucht wurde der Nutzen von Lenalidomid in der Induktions- und Erhaltungstherapie bei Patienten mit neu diagnostiziertem Multiplen Myelom (MM), die für eine Stammzelltransplantation  nicht geeignet sind. In einer Interimsanalyse hatte sich insbesondere bei älteren Patienten zwischen 65 und 75 Jahren der größte Benefit gezeigt [1, 2]. Daher lag der Focus der aktuellen Analyse auf dieser Patientengruppe.

Wirksamkeit und Sicherheit von Lenalidomid bei älteren Patienten
Die Studie schloss insgesamt 459 Patienten im Alter zwischen 65 und 75 Jahren ein. Sie wurden in drei Therapiearme randomisiert. Zwei Gruppen bekamen eine initiale Induktionstherapie mit Melphalan, Prednison und Lenalidomid (MPR), eine weitere Gruppe erhielt Melphalan und Prednison plus Placebo (MP). Anschließend erfolgte bei Patienten aus den beiden MPR-Armen jeweils eine Erhaltungstherapie mit Lenalidomid (MPR-R, n=152) oder Placebo (MPR, n=153), bei der MP-Gruppe mit Placebo (MP, n=154).

Für 348 Patienten (je 116 pro Gruppe) konnten die Daten ausgewertet werden. Fast die Hälfte wiesen ISS-Stadium III auf, mehr als 40% hatten einen Beta-2-Mikroglobulin-Wert über 5,5 mg/l und 40% eine Kreatinin-Clearance unter 60ml/min.

Längeres PFS unter Lenalidomid gegenüber Placebo
Nach einer medianen Nachbeobachtungszeit von 30 Monaten zeigte sich beim progressionsfreien Überleben (PFS) ein signifikanter Vorteil für die MPR-R-Therapie gegenüber der MP-Gruppe: 31 vs. 12 Monate (Hazard Ratio [HR]=0,30; 0,20-0,45; p<0,001). Das Progressionsrisiko reduzierte sich um 70%. Dieser Nutzen war unabhängig von der Qualität des Ansprechens oder Risikofaktoren.

Auch die Ansprechrate fiel im MPR-R-Arm mit 79% deutlich höher aus als im MP-Arm mit 47% (p<0,001). Weiterhin wurde bei 35% der MPR-R-Patienten und nur bei 10% der MP-Patienten eine sehr gute partielle Remission (VGPR) festgestellt (p<0,001). Zudem war die mediane Zeit bis zur Response unter MPR-R kürzer als unter MP (2 vs. 3 Zyklen; p=0,002). Weiterhin gab es einen Trend zu einem verlängerten 3-Jahres-Gesamtüberleben (OS) in der MPR-R-Gruppe: So lebten nach drei Jahren noch 73% der Patienten aus dem Prüfarm gegenüber 65% aus dem MP-Arm (p=0,25).

Vorteile für Lenalidomid-Erhaltungstherapie
Daneben zeigte die Erhaltungstherapie mit Lenalidomid (MPR-R-Therapie) auch Vorteile gegenüber der Erhaltungstherapie mit Placebo (MPR-Therapie). So war das mediane PFS unter MPR-R mit 31 Monaten deutlich länger als unter MPR mit 15 Monaten (HR=0,44; 0,30-0,66, p<0,001). Eine geplante Landmark-Analyse, die das PFS nach Beginn der Erhaltungstherapie ermittelte, ergab für die Lenalidomid-Erhaltungstherapie eine Senkung des Progressionsrisikos um 68% (HR=0,32; 0,20-0,52, p<0,001).

Im Vergleich der Induktionstherapie mit bzw. ohne Lenalidomid (MPR bzw. MP) ergab sich für MPR ein signifikant besseres PFS: 15 vs. 12 Monate (HR=0,64;  0,45-0,90, p=0,009).

Akzeptable Verträglichkeit von Lenalidomid
Die Induktionstherapie mit Lenalidomid war prinzipiell mit einer annehmbaren Verträglichkeit verbunden. So kam für die meisten Patienten eine Erhaltungstherapie infrage. Während der Induktion brachen aufgrund von Nebenwirkungen 13% der Patienten unter Lenalidomid (MPR- und MPR-R-Arm) die Therapie ab, unter Placebo (MP-Arm) 4%. Die häufigsten hämatologischen Grad-4-Nebenwirkungen während der Induktion waren Neutropenie (39% unter MPR-R, 29% unter MPR, 7% unter MP) und Thrombozytopenie (33% unter MPR-R, 12% unter MPR, 4% unter MP). Febrile Neutropenien betrafen dagegen nur wenige Patienten (je 1% unter MPR-R und MPR, keiner unter MP). Die häufigsten nicht-hämatologischen Grad-3/4-Nebenwirkungen waren Knochenschmerzen (je 3% unter MPR-R und MPR, 4% unter MP).

Auch die Lenalidomid-Erhaltung wurde relativ gut vertragen. Für kumulative Toxizitäten gab es keine Hinweise. Nur 5% der Patienten mit einer Lenalidomid-Erhaltungstherapie brachen die Behandlung aufgrund von Nebenwirkungen ab. Als häufigste hämatologische Grad-4-Nebenwirkungen traten Thrombozytopenie mit 5%, Neutropenie mit 4% und Anämie mit 3% auf. Zu den häufigsten nicht-hämatologischen Grad-3/4-Nebenwirkungen zählten Knochenschmerzen und Diarrhö mit jeweils 5%.

Erhöhtes Risiko für hämatologische Zweittumoren unter Lenalidomid
Hämatologische Zweittumoren (second primary malignancy, SPM) kamen sowohl unter Induktions- als auch unter Erhaltungstherapie mit Lenalidomid häufiger vor. So traten in der MPR-R-Gruppe 3 (2 AML, 1 ALL), in der MPR-Gruppe 1 (MDS) und in der MP-Gruppe keine hämatologische SPMs auf. Daraus ergaben sich Inzidenzraten von 1,8, 0,7 und 0 pro 100 Patientenjahre. Dagegen entwickelten in allen drei Gruppen je zwei Patienten solide Tumoren, die entsprechenden Inzidenzraten betrugen 1,2 (MPR-R), 1,4 (MPR) und 1,6 (MP).

Fazit
Insgesamt kann eine kontinuierliche Lenalidomid-Therapie bei älteren Patienten mit neu diagnostiziertem Multiplen Myelom das Risiko der Krankheitsprogression signifikant senken, wie die Autoren schlussfolgern. Dabei spricht, so die Autoren weiter, besonders das mittels Landmark-Analyse ermittelte bessere PFS in der MPR-R-Gruppe für eine kontinuierliche Gabe von Lenalidomid, sofern auftretende Toxizitäten beherrschbar sind. Zwar kamen in der Studie hämatologische SPMs unter Lenalidomid häufiger vor, doch überwiegt den Autoren zufolge das niedrigere Risiko der Krankheitsprogression. Ihrer Meinung nach sollte das MPR-R-Schema als Standardtherapie bei älteren Patienten mit neu diagnostiziertem Multiplen Myelom gelten, für die eine Stammzelltransplantation nicht infrage kommt.

Quellen:

[1] Palumbo A, et al. Secondary malignencies in elderly myeloma patients (IMW 2011). Haematologica 2011; 96(s1): S24

[2] Palumbo A, et al. A Phase 3 Study Evaluating the Efficacy and Safety of Lenalidomide (Len) Combined with Melphalan and Prednisone Followed by Continuous Lenalidomide Maintenance (MPR-R) in Patients (Pts) = 65 Years (Yrs) with Newly Diagnosed Multiple Myeloma (NDMM): Updated Results for Pts Aged 65-75 Yrs Enrolled in MM-015. ASH 2011; Abstract #475

(as/aks)

In Zusammenarbeit mit Prof. Dr. med. Hartmut Goldschmidt, Heidelberg