krebsgesellschaft.de, 05.02.2012

ASH 2011

Risikokategorien für Patienten mit Multiplem Myelom

Beim Multiplen Myelom haben neben spezifischen Laborparametern offensichtlich auch chromosomale Veränderungen einen erheblichen Einfluss auf die Prognose. Die Erweiterung des üblichen ISS-Stagings um die FISH-Analyse bestimmter chromosomaler Bereiche eröffnet möglicherweise Perspektiven für eine risikoadaptierte Therapie. Neben et al. stellten auf dem ASH 2011 entsprechende Untersuchungsergebnisse vor.

Die Stadieneinteilung des Multiplen Myeloms (MM) gemäß International Staging System (ISS) stützt sich auf die Messung der β2-Mikroglobulin- und der Serumalbuminkonzentration. Die Konzentration der Werte gilt als prädiktiv für das Outcome. In jüngerer Zeit wurden durch genetische bzw. zytogenetische Anomalien definierte Myelom-Subgruppen mit spezifischen biologischen, klinischen und prognostischen Merkmalen in Verbindung gebracht.

FISH-Analyse der Chromosomenaberrationen

Die Autoren analysierten mittels Fluoreszenz-in-situ-Hybridisierung (FISH) zwölf Chromosomenanomalien bei 354 Patienten mit neu diagnostiziertem Multiplem Myelom, die an der HOVON-65/GMMG-HD4-Studie teilgenommen haben. Im Rahmen der Studie erhielten die Probanden im Arm A die Kombination Vincristin, Adriamycin und Dexamethason (VAD) und im Arm B Bortezomib, Adriamycin und Dexamethason (PAD). Anschließend folgten eine autologe Stammzelltransplantation (ASCT) und danach eine Erhaltungstherapie mit entweder Thalidomid 50mg/d (Arm A) oder Bortezomib 1,3mg/m2 q2w (Arm B). Ergänzt wurde diese Auswertung durch die Analyse einer weiteren Kohorte (n=462), die zwischen 1994 und 2010 eine ASCT erhalten hatte.

Aberrationsstatus führt zu neuer Einteilung der Myelom-Patienten

Unter den Teilnehmern der HOVON-65/GMMG-HD4-Studie identifizierten die Autoren 233 Patienten mit zwei Kopien (67,7%), 95 Patienten (27,6%) mit drei und 16 Patienten (4,7%) mit mehr als drei Kopien der chromosomalen Region 1q21. Da das Outcome der Patienten mit mehr als drei Kopien 1q21 fast ebenso schlecht war wie das der Patienten mit del(17p13), wurden diese Anomalie neben del(17p13) und t(4;14) der Gruppe der Hochrisiko-Aberrationen zugerechnet.

Anschließend untersuchten die Forscher mögliche Korrelationen zwischen ISS-Einteilung und Hochrisiko-Aberrationen. Mit Blick auf die prognostische Aussagekraft der Kombinationen teilten sie die Patienten in drei Gruppen ein:

  • Low Risk (33% der Patienten):
    Stadium ISS I und weder del(17p13) oder t(4;14) noch +1q21 (>3 Kopien)
  • High Risk (18% der Patienten):
    Stadium ISS II/III und del(17p13), t(4;14) oder +1q21 (>3 Kopien)
  • Intermediate Risk (49% der Patienten):
    alle übrigen Patienten

PFS und OS korreliert mit chromosomalem Risikoprofil

Das mediane progressionsfreie Überleben (PFS) lag in der Low-Risk-Gruppe bei 41,9 Monaten, in der Intermediate-Gruppe bei 31,1 Monaten (HR 1,7, p=0,0018) und in der High-Risk-Gruppe bei 18,7 Monaten (HR 3,6, p<0,0001). Das 3-Jahres-Gesamtüberleben (OS) betrug 94% in der Low-Risk-Gruppe, 80% in der Intermediate-Risk-Gruppe (HR 4,6, p=0,0001) und 43% in der High-Risk-Gruppe (HR 12,8; p<0,0001).

Diese Ergebnisse wurden in der unabhängigen Kohorte bestätigt: Vom Zeitpunkt der ersten ASCT an belief sich das mediane PFS auf 43,3 Monate, 23,0 Monate (HR 1,5, p=0,015) und 13,8 Monate (HR 2,4, p=0,0003) in der Low-, Intermediate und High-risk-Gruppe. Das 4-Jahres-OS lag bei 84%, 71% (HR 2,1, p=0,0043) bzw. 49% (HR 3,84, p<0,0001).

Ausblick

Durch Hinzunahme der FISH-basierten Aberrationsanalyse zum ISS-Score lassen sich PFS und Gesamtüberleben den Autoren zufolge zuverlässiger prognostizieren als anhand der alleinigen ISS-Einteilung. Zytogenetische Techniken können somit bereits heute Auswirkungen auf das risikoadaptierte Management von Patienten mit Multiplem Myelom haben – insbesondere von jüngeren Patienten.

Quelle:
Neben K, et al. Combining Information Regarding Chromosomal Aberrations t(4;14), Del(17p13) and the Copy Number of 1q21 with the International Staging System Classification Allows Stratification of Myeloma Patients Undergoing Autologous Stem Cell Transplantation: Results From the HOVON-65/GMMG HD4 Trial. ASH 2011; Abstract #332
(sm)

In Zusammenarbeit mit Prof. Dr. med. Hartmut Goldschmidt, Heidelberg