krebsgesellschaft.de, 19.03.2014

DKK 2014

DKK 2014: Plenarsitzung Mammakarzinom: Exzellente Versorgung in Deutschland

Ein breites Themenspektrum bot die Plenarsitzung zum Mammakarzinom auf dem DKK 2014. Unter Vorsitz von Prof. Wolfgang Janni, Ulm, gab es Vorträge zur Diagnostik, Chirurgie und systemischen Therapie wie auch Referate zum Einfluss von Lifestyle-Faktoren und aus dem Bereich der Versorgungsforschung. Wir berichten für Sie zu drei ausgewählten Themen der Plenarsitzung.

Weniger radikal, trotzdem effektiv: Chirurgie beim Mammakarzinom
Prof. Thorsten Kühn, Esslingen, eröffnete die Plenarsitzung Mammakarzinom mit einem Educational zur Brustkrebschirurgie. Bei der Operation von Primärtumoren kommend zunehmend schonendere Methoden zum Einsatz, da Studien gezeigt haben, dass dies nicht zu Lasten der Wirksamkeit geht. So belegte die NSABP 04-Studie, dass die Radikalität einer Mastektomie keinen Einfluss auf das Überleben der Patientinnen hat. [1] Beim Vergleich von brusterhaltender Therapie (BET) und Mastektomie gibt es inkonsistente Ergebnisse – teils mit Überlebensvorteilen für die Mastektomie, teils für die BET. Eine Metaanalyse retrospektiver Studien untersuchte die Ergebnisse von 33 Studien mit über 28.000 Patientinnen und 1506 Ereignissen. Verglichen wurden zwei Kohorten: zum einen ein Absetzungsrand von 1 mm vs. zu knappem/positivem Margin sowie 2 mm vs. 5 mm. Insgesamt lag die Rate an Lokalrezidiven bei 5,3% (95% CI 2,3–7,6%). Es zeigte sich, dass ein freier Schnittrand die lokale Rezidivrate um 50% reduziert (p < 0,001). Dieser Effekt war unabhängig von Alter, Tumorbiologie, erhaltenem Boost, Hormontherapie sowie von der Art der Chemotherapie (moderne vs. historisches Regime). Ein erweiterter Schnittrand >1 mm führte nicht zu einer signifikanten Reduktion der lokalen Rezidivrate, wenn sich auch ein Trend für eine bessere lokale Kontrolle nachweisen ließ. [2,3]

Bei aggressiven Tumoren würden die Operateure eher zu mehr Sicherheit neigen, so Prof. Kühn. Tatsächlich ist das Risiko für Lokalrezidive bei triple-negativen Mammakarzinomen doppelt so hoch wie bei anderen Brusttumoren. [4] Dennoch sind auch in diesen Fällen weitere Resektionsgrenzen nicht gerechtfertigt, wie eine auf dem SABCS 2013 vorgestellte Arbeit zeigt: Die 5-Jahres-Rate an Lokalrezidiven unterschied sich bei triple-negativen Tumoren mit ≤2 mm Margins nicht signifikant von derjenigen mit >2 mm Margins (4,7% vs. 3,7 %; p=0,06). „Bigger Surgery does not overcome bad biology”, zitierte Prof. Kühn die Referentin Monica Morrow aus San Antonio. [5]Aktuell wird daher international und auch in den deutschen S3-Leitlinien sowie den AGO-Empfehlungen ein Schnittrand von 1 mm befürwortet. Ob bei Nichterreichen eines solchen Margins nachreseziert werden sollte, ist derzeit mangels Daten offen. Die AGO empfiehlt die Nachresektion lediglich bei R1-Situationen, aber nicht bei knappem Margin.

Zur nötigen Radikalität der Operation beim DCIS liegen inkonsistente Ergebnisse vor. Während Dunne et al. 2009 nach BET und Strahlentherapie keinen Vorteil für Margins >2 mm nachweisen konnten [6], ergab eine Studie von Wang et al. beim Vergleich von 10 vs. 2 mm eine Odds Ratio von 0,47 und damit einen klaren Vorteil für erweiterte Schnittränder [7]. Da aber gerade beim DCIS ein vernünftiges Verhältnis zwischen operativer Radikalität und Lebensqualität gewahrt werden müsse, liege der allgemeine Konsens dennoch weiterhin bei 2 mm, so Prof. Kühn.

Im abschließenden Teil des Referates wurde der aktuelle Kenntnisstand zur Axilladissektion dargelegt. Hier haben sich die Empfehlungen in den letzten Jahren erheblich verändert. Seit den Ergebnissen der NSABP B-32-Studie, in der es zwischen BET+Axilladissektion und BET+Sentinel-Node-Dissektion keinen Unterschied im progressionsfreien und Gesamtüberleben gegeben hatte [8], erhält die Axilladissektion von der AGO selbst bei positivem Sentinel nur noch eine +/- Empfehlung. Lediglich bei Mastektomien wird sie noch empfohlen, aber auch hier ist eine Entwicklung hin zu geringerer Radikalität absehbar.

HER2-gerichtete Therapie – die Qual der Wahl
Einem Therapiegebiet, das in den letzten Jahren wie kaum ein anderes von neuen Entwicklungen profitiert hat, widmete sich Prof. Volkmar Müller, Hamburg. „HER2-gerichtete Therapie – die Qual der Wahl“ lautete der Titel seines Vortrags.

Nach Trastuzumab und Lapatinib ist 2013 mit Pertuzumab eine dritte gegen HER2 gerichtete Substanz beim metastasierten Mammakarzinom zugelassen worden, die das Gesamtüberleben der Patientinnen bei gleichzeitig guter Verträglichkeit verlängert: Nach vier Jahren Follow-up waren in der Cleopatra-Studie noch 66% der Patientinnen am Leben, die eine Kombination von Trastuzumab+Pertuzumab auf Basis einer Docetaxel-Chemotherapie erhielten – im Vergleich zu 50% ohne Pertuzumab (HR 0,66, p=0,0008). Das progressionsfreie Überleben wurde durch Pertuzumab von 12,4 auf 18,7 Monate verlängert (HR 0,69). [9]

Auch für Patientinnen, die nach einer gegen HER2 gerichteten Erstlinientherapie einen Progress erleiden, gibt es mittlerweile eine Therapieoption mit Überlebensvorteil: Durch T-DM1, ein Antikörper-Drug-Konjugat, lebten in der EMILIA-Studie Patientinnen median 30,9 Monate, Patientinnen, die mit dem bisherigen Zweitlinienstandard Lapatinib+Capecitabin behandelt wurden, jedoch nur 25,1 Monate (HR 0,682; p=0,0006). Nach zwei Jahren waren nahezu zwei Drittel der Patientinnen im T-DM1-Arm noch am Leben, in der Kontrollgruppe nur gut die Hälfte (64,7% vs. 51,8%). [10] Dass T-DM1 auch für Patientinnen mit zwei oder mehr HER2-Vortherapien geeignet ist, zeigte die Theresa-Studie: Im Vergleich zu einer Therapie nach Wahl des Arztes (inkl. Trastuzumab) verlängerte T-DM1 das progressionsfreie Überleben von 3,2 auf 6,2 Monate (HR 0,558; p<0,001) – ein „überraschend deutliches Ausmaß“, so Prof. Müller. Auch das Ansprechen sei mit 8,6% vs. 31,3% „erstaunlich hoch“. [11]

Die duale HER2-Blockade mit Trastuzumab und Lapatinib stellt eine weitere Möglichkeit für spätere Therapielinien dar. Bei einem sehr stark vorbehandelten Patientinnenkollektiv – median 4 bzw. 5 Vor-Chemotherapien, median 3 Trastuzumab-Vortherapien in der metastasierten Situation – konnte mit der zytostatikafreien Kombination im Vergleich zur Lapatinib-Monotherapie eine Lebensverlängerung erreicht werden, wenn auch nur in der Hormonrezeptor-negativen Subgruppe (17,2 vs. 8,9; HR 0,62). [12]

Offene Fragen bei der HER2-Therapie des metastasierten Mammakarzinoms bestehen derzeit bei der optimalen Sequenz der verschiedenen Optionen. Eine besondere Herausforderung sei die steigende Inzidenz von Hirnmetastasen – ein Problem, das aus der längeren Überlebenszeit der Patientinnen resultiert. Hier fehlen noch optimale Behandlungsstrategien, so Prof. Müller.

Aktuell werden gegen HER2 gerichtete Therapien intensiv auch im adjuvanten und neoadjuvanten Setting weiterentwickelt. So erteilte die FDA im Herbst 2013 der Kombination Pertuzumab+Trastuzumab+Docetaxel die Zulassung für die neoadjuvante Therapie, da sich eine signifikante Verbesserung der pCR-Rate verglichen mit Trastuzumab und Docetaxel allein gezeigt hatte (39,3 Prozent vs. 21,5 Prozent; p = 0,0063). [13] In der Katherine-Studie wird T-DM1 bei Patientinnen ohne pCR nach Trastuzumab getestet [14], und in der Adapt-Studie erfolgt der neoadjuvante Einsatz von T-DM1 in Kombination mit einer endokrinen Therapie [15]. Die deutschen Studien Neo-ALTTO und ALTTO untersuchen Lapatinib+Trastuzumab als (neo-)adjuvanten Ansatz, und weitere adjuvante Studien laufen derzeit unter anderem zu Pertuzumab+Trastuzumab (Aphinity-Studie) sowie T-DM1 (Kaitlin-Studie).

Versorgungsforschung: „Hochsensibler, verantwortungsvoller Umgang mit Evidenz“
Prof. Christian Jackisch, Offenbach, widmete sich in seinem Referat der Versorgungssituation von Mammakarzinom-Patientinnen in Deutschland. Basis des Vortrags waren Marktanalysen der AGO aus den Jahren 2004–2012, in denen regelmäßig die leitliniengerechte Behandlung geprüft wird, so dass sich ein guten Aufschluss über Therapiegewohnheiten in Deutschland ergibt. Dazu werden verschiedenste Parameter erfasst, unter anderem

  • Patientencharakteristika: Tumorstadien, Alter, Grading, Nodalstatus, ER-Status
  • Behandlungsort (Gynäkologie, Onkologie, Klinik, ambulante Praxis)
  • lokale Therapie (BET oder Mastektomie, Axilladissektion oder SLND
  • systemische Therapie (z. B. adjuvant oder neoadjuvant)

Die Auswertung der Daten belegt, dass sich das Therapieverhalten mit veränderter Evidenz ebenfalls wandelt. Dies zeige sich eindrucksvoll beim Vergleich der angewendeten Chemotherapie-Regime von 2004 bis 2012. Dass Forschungsergebnisse innerhalb nur eines Auswertungszeitraums von zwei Jahren in die Praxis übertragen werden, verdeutliche der starke Rückgang von Axilladissektionen im Jahr 2012 im Vergleich zu 2010. „Wir sehen hier einen hochsensiblen, verantwortungsvollen Umgang mit Evidenz“, resümierte Prof. Jackisch. Zwar gebe es immer noch Verbesserungsbedarf: Beispielsweise erhielten mit 10,1% zu viele prämenopausale Patientinnen Aromatasehemmer, und die Bereitschaft zur Teilnahme an Chemotherapie-Studien (2010–1012: 1,7%) sei zu gering. Insgesamt zeige die AGO-Marktanalyse jedoch eine sehr gute Adherence zu den Therapieempfehlungen und Leitlinien und damit eine „exzellente Mammakarzinom-Therapie in Deutschland“.

Key-Note-Lecture Plenarsitzung MammakarzinomProf. Sibylle Loibl: Neoadjuvante Therapie des Mammakarzinoms im Fokus

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Quellen:
[1] Fisher et al. N Engl J Med. 2002 Oct 17;347(16):1233-41.
[2] Houssami N et al. Eur J Cancer. 2010 Dec;46(18):3219-32. 
[3] Houssami N et al. Ann Surg Oncol. 2014 Mar;21(3):717-30. 
[4] Lowery et al. Breast Cancer Res Treat. 2012 Jun;133(3):831-41.
[5] Pilewski M. Ann Surg Oncol. in press. Nach Monica Morrow, SABCS 2013, William McGuire Memorial Lecture
[6] Dunne C et al. J Clin Oncol. 2009 Apr 1;27(10):1615-20.
[7] Wang SY et al. J Natl Cancer Inst. 2012 Apr 4;104(7):507-16.
[8] Giuliano AE et al. JAMA 2011;305:569-75.
[9] Swain SM et al. Lancet Oncol. 2013 May;14(6):461-71. doi: 10.1016/S1470-2045(13)70130-X.
[10] Verma S et al. N Engl J Med. 2012 Nov 8;367(19):1783-91
[11] Wildiers H et al. LBA 15, ECCO 2013
[12] Blackwell KL et al. J Clin Oncol. 2010 Mar 1;28(7):1124-30. doi: 10.1200/JCO.2008.21.4437.
[13] Gianni L, et al. Lancet Oncology 2012; 13: 25-32.
[14] NCT01772472
[15] NCT01745965