krebsgesellschaft.de, 11.04.2014

DKK 2014

DKK 2014: Plenarsitzung „Gastrointestinale Tumoren“ - Reflexion der aktuellen Entwicklungen bei den kolorektalen Karzinomen

Bei den kolorektalen Karzinomen (CRC) standen im Mittelpunkt der Plenarsitzung „Gastrointestinale Tumoren“ Vorträge zur histo- und molekularpathologischen Differenzierung, Therapieprädiktion im Stadium II sowie zur medikamentösen Therapie metastasierter CRC. Bei letzterem lagen die Schwerpunkte des Vortrags auf der RAS-Testung, der Erhaltungstherapie sowie beim direkten Vergleich einer Chemotherapie in Kombination mit einem Anti-VEGF- vs. Anti-EGFR-Antikörper.

Histologische und molekularpathologische Klassifikation des kolorektalen KarzinomsProf. Thomas Kirchner, München, stellte die Einteilung des kolorektalen Karzinoms nach histologischen und molekularpathologischen Kriterien vor. Zwei große Gruppen von Dickdarmkarzinomen lassen sich unterscheiden [1]:

  1. Zum einen die hypermutierte Tumoren (16%), die im Median 728 Mutationen haben. Diese Tumoren weisen alle einen Mismatch-Reparatur-Defekt auf und entsprechen den Dickdarmkarzinomen mit Mikrosatelliteninstabilität (MSI-Karzinome).
  2. und zum anderen nicht-hypermutierte Tumoren (84%). Hier ist die mediane Zahl der Mutationen mit 58 vergleichsweise gering. Klassischerweise finden sich APC-, TP53- und KRAS-Veränderungen. Die Tumoren gehören zur Kategorie der Karzinome mit Mikrosatellitenstabilität (MSS).

Die Prognose von MSI- und MSS-Karzinomen unterscheidet sich deutlich voneinander. MSI-Karzinome haben ein signifikant besseres Outcome als MSS-Tumoren über alle Tumorstadien hinweg [2].
MSI-Dickdarmkarzinome sind morphologisch durch Strukturverlust (z.B. muzinös, siegelringartig, medullär) und eine geringe Differenzierung bei gleichzeitigen tumorimmunologischen Reaktionen(z.B. crohnartige Reaktionen, intratumoröse Lymphozytenanreicherung) gekennzeichnet.
Auch bei BRAF-Mutationen muss zwischen BRAF-MSI- und BRAF-MSS-Tumoren unterschieden werden. Karzinome mit MSS-BRAF-Mutationen haben die schlechteste Prognose mit 5-Jahres-Überlebensraten von 15-20% [3].
Bei der Klassifikationen des CRC wird dies aktuell mit berücksichtigt: Handelt es sich – wie am häufigsten – um ein Adenokarzinom (NOS, not otherwise specified) oder um einen speziellen Subtyp (z.B. muzinöses Adenokarzinom, Siegelringkarzinom, medulläres Karzinom, serratierte, kribriforme). Nur die NOS-Adenokarzinome und die undifferenzierten Karzinome werden morphologisch nach dem Anteil der Drüsen in G1-4 klassifiziert. Bei den speziellen Subtypen ist es entscheidend, ob MSI oder MSS vorliegt – danach richtet sich dann die Unterscheidung in High Grade (MSS) oder Low Grade (MSI), so wie in der neuesten Tumorklassifikation der WHO abgebildet [4]. Mithilfe der Immunhistochemie lässt sich hier exzellent, sehr einfach und kostengünstig eine Unterscheidung treffen, so Prof. Kirchner. In der Regel wird eine Kombination aus molekularer Graduierung und BRAF-Mutationsanalyse vorgenommen, um eine Klassifizierung vornehmen zu können. Für die molekulare Typisierung möglich und durchführbar ist der Einsatz von zwei bzw. drei wichtigen Prognosemarkern: MSI und BRAF-Mutation und ggf. zusätzlich die RAS-Mutation. Hieraus lässt sich prädiktiv ableiten, welche Therapie ggf. ansprechen könnte (z.B. RAS-Mutation= Kontraindikation für eine Anti-EGFR-Antikörper-Therapie, MSI-Karzinome = reduzierte Wirkung von 5-FU-Monotherapie).

Adjuvante Therapie des Kolonkarzinoms im Stadium II – Brauchen wir molekulare Marker zur Entscheidungsfindung?
Das Stadium II des CRC wird immer häufiger diagnostiziert (23%), dies sei v.a. auf die Früherkennungs-Koloskopie zurückzuführen, erläuterte Frau Professor Anke Reinacher-Schick, Bochum. Die 5-Jahresüberlebensrate ist mit 85% sehr hoch für dieses Stadium [5]. Die aktuellen Leitlinien unterscheiden im Stadium II Patienten mit und ohne Risikofaktoren [5]. Für Patienten mit Risikofaktoren (in Abhängigkeit von der T-Kategorie (T4), Perforation, Tumoreinriss, Notoperation, zu wenig untersuchte Lymphknoten) wird eine Soll-Empfehlung (Empfehlungsgrad B) für 5-FU ausgesprochen, für Patienten ohne Risikofaktoren eine Kann-Empfehlung (Empfehlungsgrad 0). Grundlage für diese Empfehlungen für Patienten ohne Risikofaktoren ist die Quasar-Studie mit 3.239 Patienten. Hier konnte ein geringer, jedoch signifikanter Überlebensvorteil von 3,5% für 5-FU nachgewiesen werden. Die Daten aus der MOSAIC-Studie stützen die Empfehlung der 5-FU-Soll-Empfehlung im Stadium II mit Risikofaktoren [8]. Für die Kombination 5-FU plus Oxaliplatin konnte keine Verbesserung des Gesamtüberlebens nachgewiesen werden, daher die alleinige Empfehlung für 5-FU, so Reinacher-Schick.
Bedauerlicherweise gibt es zurzeit viele Prognosemarker, jedoch noch keinen Marker für die Therapieprädiktion. Ebenso ist bislang die Gewichtung der einzelnen Risikofaktoren unklar. Damit bleibt unklar, welche Patienten von einer Therapie profitieren und welche Patienten umsonst behandelt werden. In absoluten Zahlen bedeutet dies, dass nur absolut 5 von 100 Patienten mit Stadium II durch eine Chemotherapie sinnvoll geholfen werden kann. Dringend wird daher ein Marker für die Therapieentscheidung benötigt, so Reinacher-Schick.
Weitere prognostische Marker seien distale vs. proximale Karzinome mit einem Vorteil bei einem geringeren Rezidivrisiko für distale Karzinome, so die Referentin. Ebenso spiele der Lebensstil (z.B. Rauchen, Bewegung) sowie die Mikroinstabilität (MSI) eine entscheidende Rolle. Ihre abschließende Therapieempfehlung lautet: Liegt eine exzellente Prognose mit einem 5-Jahres-Überleben von über 90%, z.B. bei MSI-Tumoren vor, sind eine Lebensstilprävention und Nachsorgeuntersuchungen ausreichend. Bei erhöhtem klinischen und molekularen Risiko unterscheidet sie Patienten mit einem Gesamtüberleben von unter 80%, z.B. mit T4b-Tumoren, und empfiehlt eine adjuvante 5-FU-Therapie ggf. mit Oxaliplatin. Bei Patienten mit einem 5-Jahres-OS von 80-90% empfiehlt sie, eine 5-FU-Therapie zu erwägen und ggf. Lebensstiländerung zu initiieren.

Aktuelle Entwicklung der medikamentösen Therapie metastasierter gastrointestinaler Tumoren
PD Dr. Ullrich Graeven, Mönchengladbach, erläuterte, warum „nur“ ca. 50% aller Wildtyp-RAS-Patienten von einer Antikörpertherapie profitieren. Die RAS-Familie besteht aus NRAS, HRAS und KRAS. Es ließ sich zeigen, dass KRAS-Mutationen in Exon 2 negativ prädiktiv für das Ansprechen auf eine Anti-EGFR-Antikörper-Therapie sind. Inzwischen wurden weitere Mutationen mit negativer prädiktiver Aussagekraft identifiziert. Seit Mitte letzten Jahres ist eine erweiterte Bestimmung des RAS-Wildtyp-Status (Exons 2, 3 und 4 von KRAS und NRAS) vor Beginn der Behandlung mit Panitumumab in Kombination mit einer oxaliplatinhaltigen Chemotherapie verpflichtend. Nur bei nachgewiesenem RAS-Wildtyp-Status durch ein erfahrenes Labor mittels validierter Test-Methode darf Panitumumab in Kombination mit einer oxaliplatinhaltigen Chemotherapie (z. B. FOLFOX) angewendet werden. Andernfalls ist Panitumumab kontraindiziert. In der PRIME-Studie wurde eine verkürzte progressionsfreie Überlebenszeit und eine verkürzte Gesamtüberlebenszeit bei Patienten mit RAS-Mutationen außerhalb des KRAS Exons 2 beobachtet, die Panitumumab in Kombination mit einer FOLFOX-Chemotherapie versus alleiniger FOLFOX-Therapie erhielten. Eine klinisch signifikante Verbesserung des Gesamtüberlebens erlebten die Patienten dieser RAS-WT-Subgruppe um 5,8 Monate in der mit Panitumumab+FOLFOX4 behandelten gegenüber FOLFOX4 allein. Das Nutzen-Risiko-Verhältnis von Panitumumab+FOLFOX4 verbessert sich durch den Ausschluss von mCRC-Patienten mit RAS-MT. Panitumumab plus FOLFIRI ist ein wirksames Behandlungsschema für die Zweitlinientherapie bei Patienten mit fortgeschrittenem kolorektalem Karzinom, vorausgesetzt es liegen keinerlei RAS-Mutationen vor. [9].

Die Daten zur Erhaltungstherapie sind noch nicht ganz so ausgereift bzw. eindeutig wie bei der RAS-Testung, so Graeven. Jedoch kommen die Studienleiter der CAIRO3-Studie bislang zu dem Schluss, dass eine Erhaltungstherapie mit Capecitabin und Bevacizumab nach 6 Zyklen CAPOX-B bei Patienten mit metastasiertem kolorektalem Karzinom effektiv ist [10].
Die TRIBE-Studie untersuchte, ob eine Intensivierung der Chemotherapie einen Nutzen bei mCRC-Patienten bringt. Hierzu wurden 508 Patienten randomisiert auf FOLFIRI plus Bevacizumab vs. FOLFOXIRI plus Bevacizumab über 12 Zyklen in der Induktionsphase. Mit anschließender 5-FU+Bevacizumab-Erhaltungstherapie. Hierbei zeigte das intensivierte Regime mit FOLFOXIRI+Bevacizumab einen deutlichen Vorteil beim PFS (12, 1 vs. 9,7 Monate, p=0,003) und beim Gesamtüberleben (31,0 vs. 25,8 Monate; p=0,054) [11]. Unter FOLFOXIRI + Bevacizumab waren Neutropenien und Diarrhoen stärker ausgeprägt als unter FOLFIRI plus Bevacizumab. Graeven schätzt das intensivierte Chemotherapieregime als gut geeignet für jüngere und fitte Patienten ein.

Ein weiteres interessantes Thema sei der Vergleich von Chemotherapie plus Anti-EGFR-Antikörper vs. Chemotherapie plus Anti-VEGR-Antikörper, so Graeven. In der randomisierten Phase-III-Studie FIRE-3 der AIO wurden bei knapp 600 Patienten die Therapieregime FOLFIRI plus Cetuximab gegen FOLFIRI plus Bevacizumab als Erstlinientherapie des metastasierten Kolorektalkarzinoms verglichen. Das mediane Gesamtüberleben betrug innerhalb der ITT-Population, d.h. bei Patienten mit KRAS (Exon2)-Wildtyp-Tumoren, im Cetuximab-Arm 28,7 Monate und im Bevacizumab-Arm 25,0 Monate, was im Median einer signifikanten Verlängerung 3,7 Monate und einer relativen Risikoreduktion um 23% entspricht (HR=0,77; p=0,017). Laut Auswertung des Therapieerfolgs nach RAS-Mutationsstatus betrug der Unterschied im medianen Gesamtüberlebens zwischen den Studienarmen 7,5 Monate bei einer relativen Risikoreduktion von 30% (medianes OS: 33,1 vs. 25,6 Monate; HR=0,70; p=0,011). Patienten mit RAS-Mutationen profitierten nicht vom FOLFIRI/Cetuximab-Regime verglichen mit FOLFIRI/Bevacizumab. Die Daten der FIRE-3-Studie belegen, dass ein molekulares Testen im erweiterten RAS-Bereich (KRAS und NRAS Exons 2, 3, 4) jetzt als Standard zu bezeichnen ist. Die FIRE-3-Studie legt nahe, dass Patienten mit unmutiertem erweitertem RAS-Status von einer Erstlinienbehandlung mit Cetuximab profitieren können. Daten weiterer Studien (z.B. PEAK), die Cetuximab versus Bevacizumab in der Erstlinientherapie vergleichen, folgen in diesem Jahr und werden mit Spannung erwartet [12, 13].

Referenzen
[1] Cancer Genome Atlas Network. Comprehensive molecular characterization of human colon and rectal cancer. Nature. 2012 Jul 18;487(7407):330-7.
[2] Malesci A et al. Reduced likelihood of metastases in patients with microsatellite-unstable colorectal cancer. Clin Cancer Res. 2007 Jul 1;13(13):3831-9.
[3] Lochhead P et al. Microsatellite instability and BRAF mutation testing in colorectal cancer prognostication. J Natl Cancer Inst. 2013 Aug 7;105(15):1151-6.
[4] WHO Classification of Tumours oft he Digestive System. 4th Edition. 2010.
[5] Krebs in Deutschland 2007/2008. 8. Ausgabe. Robert Koch-Institut (Hrsg) und die Gesellschaft der epidemiologischen Krebsregister in Deutschland e.V. (Hrsg). Berlin, 2012.
[6] Leitlinienprogramm Onkologie der AWMF, Deutschen Krebsgesellschaft e.V. und Deutschen Krebshilfe e.V. S3-Leitlinie „Kolorektales Karzinom“. Version 1.0. Januar 2013.
[7] Quasar Collaborative Group et al. Adjuvant chemotherapy versus observation in patients with colorectal cancer: a randomised study. Lancet. 2007 Dec 15;370(9604):2020-9.
[8] André T et al. Improved overall survival with oxaliplatin, fluorouracil, and leucovorin as adjuvant treatment in stage II or III colon cancer in the MOSAIC trial. J Clin Oncol. 2009 Jul 1;27(19):3109-16.
[9] Douillard JY et al. Panitumumab-FOLFOX4 treatment and RAS mutations in colorectal cancer. N Engl J Med. 2013 Sep 12;369(11):1023-34.
[10] Koopmann M et al. Maintenance treatment with capecitabine and bevacizumab versus observation after induction treatment with chemotherapy and bevacizumab in metastatic colorectal cancer (mCRC): The phase III CAIRO3 study of the Dutch Colorectal Cancer Group (DCCG). J Clin Oncol 31, 2013 (suppl; abstr 3502).
[11] Falcone A et al. FOLFOXIRI/bevacizumab (bev) versus FOLFIRI/bev as first-line treatment in unresectable metastatic colorectal cancer (mCRC) patients (pts): Results of the phase III TRIBE trial by GONO group. J Clin Oncol 31, 2013 (suppl; abstr 3505).
[12] Heinemann V et al.: Randomized comparison of FOLFIRI plus Cetuximab versus FOLFIRI plus Bevacizumab as first-line treatment of KRAS-wildtype metastatic colorectal cancer: German AIO study KRK-0306 (FIRE-3). ASCO Annual Meeting 2013, Oral presentation & Abstr. #LBA3506
[13] Heinemann V et al.: Analysis of KRAS/NRAS and BRAF mutations in FIRE-3: A randomized phase III study of FOLFIRI plus cetuximab or bevacizumab as first-line treatment for wild-type KRAS (exon2) metastatic colorectal cancer (mCRC) patients. European Cancer Congress 2013, oral presentation & Abstr. #LBA17.