krebsgesellschaft.de, 25.04.2012

DKK 2012

Gezielt gegen Melanom-relevante Signalwege

Mit dem kürzlich in Europa zugelassenen BRAF-Kinase-Inhibitor Vemurafenib steht neben der bereits im letzten Jahr zugelassenen Immuntherapie mit dem CTLA-4-Antikörper Ipilimumab die zweite zielgerichtete Therapie beim fortgeschrittenen Melanom zur Verfügung. Damit werden bei einem Teil der Patienten klinische Ansprechraten und Überlebensraten erreicht, die deutlich über die Erfolge von bisherigen Therapien hinausgehen. Zu den neuen Hoffnungsträgern zählen die MEK-Inhibitoren, die in Zukunft die BRAF-Inhibitoren ergänzen könnten und möglicherweise der Resistenzentwicklung entgegenwirken. Erste Erfolge zeichnen sich auch bei Patienten mit  Hirnmetastasen durch die Inhibition des PI3K-AKT-Signalweges ab.

Der neu zugelassene selektive BRAF-Inhibitor Vemurafenib zielt auf jene 50% der Patienten mit fortgeschrittenem Melanom ab, die eine aktivierende BRAF-Mutation (BRAF-V600-Mutation) aufweisen. Damit wurde in den Zulassungsstudien (BRIM-Studien) ein progressionsfreies Überleben (PFS) von median 6 Monaten, ein Gesamtüberleben (OS) von median 14 Monaten und eine Einjahresüberlebensrate von 58% erreicht, berichtete Prof. Dr. med. Dirk Schadendorf (Essen) am diesjährigen Deutschen Krebskongress in Berlin [1]. Im Vergleich dazu lagen die Raten in der  Ipilimumab-Zulassungsstudie deutlich niedriger (PFS: 2-3 Monate, OS: 11 Monate, Einjahresüberleben: 47%).  "Ein deutliches Ansprechen und ein längeres Intervall bis zur Progression bedeuten allerdings noch keine Heilung" betonte Schadendorf. Zudem stellen andere Mutationen immer noch die Mehrheit dar. So zeigen immerhin 18% der Melanome eine N-RAS-Mutation und bei gut einem Drittel der Patienten liegen unbekannte Mutationen vor. Auch Resistenzentwicklungen gegen die BRAF-Blockade durch Umgehungskreisläufe (z.B. Aktivierung des mTOR-Signalweges) oder durch das Auftreten von N-RAS-Mutationen, würden die erreichten Therapieerfolge mindern. Verschiedene Studien prüfen daher Kombinationstherapien u.a. mit mTOR- oder MEK-Inhibitoren um der Resistenzbildung entgegenzuwirken. Vieles spreche auch für eine Therapieoptimierung durch die Kombination aus Immuntherapie und BRAF-Hemmung. Eine entsprechende Studie läuft seit Dezember 2011. Als besondere Hoffnungsträger gelten jedoch die MEK-Inhibitoren. Mit dem erfolgreichen Abschluss einer Phase-III-Studie mit dem MEK-Inhibitor Trametinib soll das Arsenal gegen das fortgeschrittene Melanom bald weiter verstärkt werden. Detaillierte Ergebnisse dieser Studie werden auf dem ASCO 2011 vorgestellt. Trametinib richtet sich ebenso wie Vemurafenib gegen den RAS-RAF-Signalweg, jedoch an einer anderen Stelle. Damit dürfte es ein interessanter Kombinationspartner zur Umgehung oder Verhinderung von BRAF-Resistenzen darstellen, so Schadendorf abschließend.

ER-Stress-induzierte Apoptose durch Vemurafenib
Dass die Deaktivierung von BRAF in den mutierten Myelomzellen deren programmierten Zelltod (Apoptose) bewirkt, konnten D. Beck et al. anhand einer in vitro Studie mit Melanomzelllinien belegen [2]. Dabei spielen über das endoplasmatische Retikulum (ER) aktivierte Mechanismen der Apoptose eine entscheidende Rolle. Einerseits kommt es zur Aktivierung der Apoptose-assoziierten Caspase und andererseits zur Stimulation von pro-apoptotischen Genen, insbesondere des Transkriptionsfaktors CHOP, der die Rolle des Vermittlers in der ER-Stress-induzierten Apoptose übernimmt. So zeigte sich in der Western Blot Analyse eine verstärkte Expression des CHOP-Proteins in den BRAF-mutierten Melanomzellen. Zusammenfassend belegt diese in vitro Studie, dass der BRAF-V600E-Kinaseinhibitor Vemurafenib über die Stimulierung von ER-Stess-assoziierten Genen die Apoptose in BRAF-mutierten Melanomzellen induziert.

PI3K-AKT-Inhibition überwindet Therapieresistenz von Melanomhirnmetastasen
Beim fortgeschrittenen Melanom mit Hirnmetastasen scheint die Inhibition des PI3K-AKT-Signalweges eine zwar noch experimentelle, aber sehr interessante zielgerichtete Strategie zu sein, wie eine Studie von Niessner H et al. zeigt [3]. Hirnmetastasen treten bei 70% der Patienten mit metastasiertem Melanom auf und sind die häufigste Todesursache. Mit den heutigen Therapieoptionen (Neurochirurgie, Radiochirurgie, Ganzhirnradiatio, Chemotherapie und supportive Therapie) überleben Melanompatienten mit Hirnmetastasen in Abhängigkeit vom Alter und Allgemeinzustand bestenfalls 5 Monate. Daher sind dringend neue therapeutische Strategien gefragt. Die vorliegende Studie prüfte den Effekt klassischer und innovativer pharmakologischer RAF-MEK- bzw. PI3K-mTOR-Inhibitoren auf das Wachstum und Überleben von Melanomzelllinien, die aus Hirnmetastasen isoliert wurden. Zusätzlich erfolgten immunhistochemische Analysen von zerebralen und korrespondierenden extrazerebralen Melanommetastasen aus den jeweils gleichen Patienten. Insbesondere die Inhibtion des PI3K-Akt-Signalweges führte zu einer signifikanten Wachstumshemmung und zur Apoptoseinduktion von Melanomhirnmetastasenzellen. Dabei bestand immunhistochemisch eine starke Aktivierung von AKT bzw. p-AKT in den Hirnmetastasen, jedoch nicht in den korrespondierenden extrazerebralen Organmetastasen. Die bisher vorliegenden Daten weisen darauf hin, dass die Aktivierung des PI3K-AKT-Signalweges für das Überleben und das Wachstum von Melanomzellen im Hirnparenchym relevant ist, und damit die Blockierung dieses Signalweges eine wirksame Strategie zur Überwindung der Therapieresistenz von Melanomhirnmetastasen sein kann.

(gem)

Quellen:

[1] Schadendorf D. Vortrag: Zielgerichtete Therapie des Melanoms Stadium IV, DKK 2012, Berlin
[2] Beck D et al. The BRAFV600E kinase inhibitor vemurafenib induces endoplasmic reticulum stress-mediated
apoptosis in BRAFV600E mutated melanoma cells. DKK 2012, Berlin, Abstract # 357.
[3] Niessner H et al. Inhibition of the PI3K-AKT signalling pathway to overcome therapy resistance in melanoma-derived brain metastasis. DKK 2012, Berlin, Abstract # B7–0332.


In Zusammenarbeit mit Prof. Dr. Jürgen Becker, Graz