krebsgesellschaft.de, 22.08.2011

Senologiekongress 2011

Therapie des Mammakarzinoms mit Bisphosphonaten

Am Rande der DGS-Jahrestagung 2011 in Dresden brachte die Sonderausgabe der Zeitschrift Senologie einen Beitrag zur Therapie von Knochenmetastasen beim fortgeschrittenen Mammakarzinom. Beobachtete Nebeneffekte der Standardtherapie in der Palliativsituation geben Anlass zu Spekulationen über eine mögliche zukünftige Indikationserweiterung für Bisphosphonate.

Bisphosphonate kommen derzeit im Rahmen der Zulassung in drei Situationen zum Einsatz: Osteoporose, Hyperkalzämie und Palliation bei Knochenmetastasen verschiedener Primärtumoren. Insbesondere Patientinnen mit fortgeschrittenem Mammakarzinom profitieren in mehrfacher Hinsicht, wobei es unerheblich ist, ob die Bisphosphonate oral oder i.v. verabreicht werden. Starke Tumorschmerzen, die auf Analgetika nicht ansprechen, gehen genauso zurück wie Anzahl und Schwere von tumorbedingten Frakturen, ausgeprägte Hyperkalzämie und die Häufigkeit radiotherapeutischer Maßnahmen.

Hohe Wirksamkeit ist in der Bisphosphonattherapie mit einem Minimum an Nebenwirkungen assoziiert. Bei – meist täglicher – oraler Gabe kann es zu Magen-Darm-Beschwerden kommen, die parenterale Applikation in größeren Abständen kann Nierenschäden und (insbesondere bei schlechtem Zahnstatus und invasiven Eingriffen) Kiefernekrosen hervorrufen. Durch sachgerechte Anwendung und Aufklärung des Patienten lassen sich Nebenwirkungen aber vermeiden oder zumindest stark reduzieren.

Kompensation des Knochendichteverlusts
Der Benefit, den Osteoporose-Patientinnen aus der Therapie mit Bisphosphonaten ziehen, verhilft auch postmenopausalen Tumorpatientinnen zu mehr Lebensqualität. Zahlreiche Untersuchungen haben gezeigt, dass die adjuvante Gabe von Bisphosphonaten den durch eine parallel verabreichte endokrine Therapie hervorgerufenen Verlust der Knochendichte verhindern kann [2].

Positiver Einfluss auf Primärtumoren und Metastasen
Schon seit einiger Zeit wird postuliert, dass Bisphosphonate nicht nur die Symptomatik in der metastasierten Situation positiv beeinflussen, sondern auch Einfluss auf den Verlauf einer Tumorerkrankung nehmen können. Studien haben gezeigt, dass durch die Gabe von Bisphosphonaten einzelne disseminierte Tumorzellen eines primären Mammakarzinoms elimiert werden können [3, 4, 5] und in manchen Situationen sogar die Entstehung von Fernmetastasen reduziert werden kann [6].

Gemäß der AZURE-Studie [7] zeigt die adjuvante Gabe von Zoledronsäure in erster Linie bei postmenopausalen Frauen signifikante Erfolge hinsichtlich des Überlebens. Sofern jüngere Patientinnen mit einem gonadotropin-releasing Hormon behandelt werden, kann Zoledronsäure bei ihnen zumindest die Zeit bis zum nächsten Rezidiv verlängern [8, 9]. Neoadjuvant verabreicht können Bisphosphonate sogar den Primärtumor verkleinern [7].
Im Rahmen einer WHI-Studie (Women Health Initiative) wurden 154.768 Frauen beobachtet, die zu Studienbeginn nicht an einem Mammakarzinom gelitten hatten. In der Gruppe, die aufgrund von altersbedingter Osteoporose im Laufe der Studie mit Bisphosphonaten behandelt wurde, kam es zu 32% weniger Mammakarzinomen.

Wirkmechanismus und „Sead and Soil“-Theorie
Bisphosphonate entfalten auf direkte und indirekte Weise ihre antitumorale Wirkung: Sie unterdrücken vor allem die Aktivität der Osteoklasten, unterbinden aber auch die Neoangiogenese, verhindern die Anlagerung von Tumorzellen an der Knochenoberfläche und wirken in höherer Dosierung generell tumorizid. Bisphosphonate nehmen einerseits direkten Einfluss auf die Tumorzellen und stören andererseits die Interaktionen zwischen Tumor und Umgebung. Dies unterstützt die „Sead and Soil“-Theorie zur Entstehung von Metastasen. Die Wirkungsweise von Bisphosphonaten ist jedoch noch nicht bis ins Detail aufgeklärt.

Fazit und Ausblick: Empfehlungen der AGO
Bei postmenopausalen Patientinnen sind die positiven Effekte einer Medikation mit Bisphosphonaten offensichtlich. Jüngere Frauen profitieren in der adjuvanten Situation nur, sofern bei ihnen die Hormonproduktion gedrosselt ist. Für diesen kleinen Patientinnenkreis gibt es derzeit keine Zulassung. Die neoadjuvante Applikation bleibt klinischen Studien vorbehalten.

Die AGO-Leitlinien geben die höchste Empfehlung (++) für folgende Situationen: Hyperkalzämie beim Mammakarzinom, skelettale Komplikationen, ossäre Progression, tumortherapieinduzierter Knochenverlust (hier präventiv). Außerdem empfiehlt (+) die AGO Bisphosphonate zur Prävention von Metastasen beim primären Mammakarzinom in bestimmten Fällen (www.ago-online.de).

Quellen:
[1] Solomayer EF. Indikationen und aktuelle Datenlage zur Bisphosphonat-Anwendung; Senolgie 2011; 8:82-83
[2] Solomayer EF, et.al. Aktuelle Bedeutung der Bisphosphonate in der systemischen Therapie des Mammakarzinoms. Senologie 2005;4: 210-213
[3] Aft R, et al. Effect of zoledronic acid on disseminated tumour cells in women with locally advanced breast cancer: an open label, randomised, phase2 trial. Lancet Oncol 2010; 11: 421-428
[4] Fehm T, et al. Konsensusempfehlungen zu methodischen Aspekten und zur klinischen Relevanz des Nachweises disseminierter Tumorzellen (DTZ) im Knochenmark (KM) von Patientinnen mit primärem Mammakarzinom. Senologie 2007;4: 85-91
[5] Solomayer EF, et al. Influence of Zoledronic Acid on Disseminated Tumor Cells in Primary Breast Cancer Patients. SABCS 2008
[6] Diel IJ, et al. Reduction in new metastases in breast cancer with adjuvant clodronate treatment. N Engl J Med 1998; 339:357-363
[7] Coleman RE, et al. The effects of adding zoledronic acid to neoadjuvant chemotherapy on tumour response: exploratory evidence for direct anti-tumour activity in breast cancer. Br J Cancer 2010; 102: 1099-1105
[8] Gnant M, et al. Adjuvant endocrine therapy plus zoledronic acid in premenopausal women with early-stage breast cancer: 5-year follow-up of the ABCSG-12 bone-mineral density substudy. Lancet Oncol 2008; 9: 840-849
[9] Gnant M, et al. Endocrine therapy plus zoledronic acid in premenopausal breast cancer. N Engl J med 2009; 360: 679-691

(sm)

In Zusammenarbeit mit PD Dr. Diana Lüftner, Berlin