krebsgesellschaft.de, 21.04.2012

DKK 2012

Neues zu prognostischen und prädiktiven Faktoren beim Mammakarzinom

Mit maßgeschneiderten Therapiekonzepten und einer individuellen Therapiewahl sollen eine hohe Effektivität bei möglichst geringer Nebenwirkungsrate in der Therapie des Mammakarzinoms erreicht werden. Um für die individuelle Patientin, die bestmögliche Therapie festzulegen, werden zunehmend prognostische und prädiktive Faktoren berücksichtigt.

Die Entscheidung für oder gegen eine Chemotherapie in der adjuvanten Situation bei Patientinnen mit frühem Mammakarzinom ist nicht immer einfach. Für die optimale adjuvante Therapiestrategie muss das individuelle Rezidivrisiko abgewogen werden. Ein wichtiger pathologischer Risikofaktor ist dabei der axilläre Nodalstatus, daneben gibt es zunehmend weitere genetische und molekularbiologische Tests zur Risikoklassifikation.
Bekannt ist beispielsweise der Recurrence Score®, ein berechneter Wert zur Abschätzung des individuellen Rezidivrisikos, der auf einem genetischen Tumorprofil beruht (Oncotype DX® Brustkrebs). Der Wert liegt zwischen 0 und 100, wobei hohe Werte für ein hohes Rezidivrisiko stehen. Ebenfalls ein bekannter prognostischer Marker ist der Eiweißanteil im Tumorgewebe von uPA (Urokinase-Typ Plasminogen Aktivator) und dessen Gegenspieler PAI-1 (Plasminogen Aktivator Inhibitor 1), wobei niedrige Werte mit einem geringeren Rezidivrisiko assoziiert sind.

WSG-Plan B-Studie: Korrelation von Recurrence Score®, uPA/PAI-1 und weiteren prognostischen Markern
Die Plan B-Studie der Women’s healthcare study group (WSG) ist eine randomisierte Phase-III-Studie bei Patientinnen mit frühem HER2-negativem Mammakarzinom, in der primär untersucht werden soll, ob eine Taxan-basierte, Anthracyclin-freie Chemotherapie genauso wirksam und mit weniger Langzeitnebenwirkungen behaftet ist wie eine konventionelle Anthracyclin-haltige Chemotherapie.
Zusätzlich wurden mehrere Ansätze zur Beurteilung des individuellen Rückfallrisikos untersucht (Recurrence Score®, uPA/PAI-1, Ki-67, Grading) [1].

Ergebnisse der Marker stimmen nur teilweise überein
Bei den 2361 Patientinnen mit Hormonrezeptor-positivem Mammakarzinom in der WSG-Plan B-Studie ergab sich bei 18% ein Recurrence Score® mit niedrigem Rezidivrisiko (Werte: 0–11), bei 61% ein Wert mit mittlerem Risiko (Werte 12–25) und bei 21% der Frauen eine hohe Rückfallwahrscheinlichkeit (> 25) [1].
Patientinnen mit einem hohen Recurrence Score® hatten mit großer Wahrscheinlichkeit ebenfalls ein hohes Rezidivrisiko gemäß uPA/PAI-1, Ki-67 und Grading. Allerdings erwies sich der Umkehrschluss als nicht zutreffend. Unter den Patientinnen mit niedrigem oder intermediärem Recurrence Score® waren viele Frauen mit hohem Rückfallrisiko gemessen an uPA/PAI-1 oder Ki-67 sowie pathologischem Grading.

Klinische Relevanz abwarten
Die klinische Relevanz der prognostischen Marker und möglicher Korrelationen kann möglicherweise besser beurteilt werden, wenn Daten zum progressionsfreien oder Gesamtüberleben vorliegen.

Recurrence Score® beeinflusst Chemotherapieentscheidung
Dass die aus dem Tumorgentest Oncotype DX® berechneten Werte des Recurrence Score® die Entscheidung für oder gegen eine adjuvante Chemotherapie bei Patientinnen mit Östrogenrezeptor-positivem Mammakarzinom im frühen Stadium beeinflussen, zeigen die Ergebnisse der German decision impact-Studie [2].
Studienteilnehmer waren 244 Frauen mit nodal negativem und 122 Frauen mit nodal positivem Mammakarzinom, wobei maximal 3 Lymphknoten befallen sein durften. Der Recurrence Score® ergab bei 54,1% der Frauen ein niedriges, bei 38,0% ein mittleres und bei 7,9% der Frauen ein hohes Rezidivrisiko [2].

Insgesamt weniger Chemotherapien
Die initiale Therapieempfehlung wurde nach Vorliegen des Risikoscores bei etwa einem Drittel aller Patientinnen geändert. Bei 38% der Patientinnen, bei denen initial eine adjuvante Chemotherapie angedacht war, wurde nach Vorliegen des Recurrence Score® nur eine endokrine Therapie empfohlen. Umgekehrt wurde bei 25% der Frauen mit zunächst ausschließlich endokriner Therapieplanung zusätzlich eine Chemotherapie empfohlen. Unter dem Strich konnte bei 19% der betroffenen Patientinnen (14,0% mit nodal negativem und 27,9% mit nodal positivem Mammakarzinom) eine Chemotherapie vermieden werden.

Vertrauen in die Therapieentscheidung gestärkt
Das Vertrauen in die Therapieentscheidung wurde mit einem Fragebogen erhoben und nahm auf Seiten der Ärzte und der Patientinnen durch die Berücksichtigung des genetischen Risikoscores zu [2].

Immunglobulin Kappa C – prognostische und prädiktive Bedeutung
Auch das körpereigene Immunsystem hat Einfluss auf die Prognose beim Mammakarzinom, wie aktuelle Ergebnisse zunehmend zeigen.
Beim DKK 2012 wurde eine Studie präsentiert, in der die Genexpression von Immunoglobulin kappa C (IGKC) bei 1810 nodal-negativen Brustkrebspatientinnen gemessen und ein potenzieller Einfluss auf die Prognose untersucht wurde.
IGKC war mit einer signifikant besseren Prognose assoziiert bei Patientinnen, die keine adjuvante Chemotherapie erhalten haben (Hazard Ratio: 0,81; p<0,001). Dabei war die prognostische Relevanz unabhängig vom Hormonrezeptor- und HER2-Status [3].
Bei Patientinnen, die eine adjuvante Anthracyclin-haltige Therapie erhalten haben, wurde IGKC als signifikanter prädiktiver Faktor für ein besseres Ansprechen auf die Chemotherapie ausgemacht (Hazard Ratio: 1,41; p<0,001) [3].

HER4 Koexpression – ein prädiktiver Marker für eine Trastuzumab-Therapie
Das Ansprechen auf HER2-zielgerichtete Therapien wie Trastuzumab (Herceptin®) variiert mitunter von Patientin zu Patientin erheblich und reicht von hoch effektiv bis zur kompletten Resistenz. Nach prädiktiven Faktoren wird dringend gesucht. Als potenzieller prädiktiver Faktor gilt die Koexpression des HER4-Rezeptors. Dieser Rezeptor hat ambivalente Eigenschaften, das heißt er kann sowohl proliferative als auch apoptotische Aktivitäten fördern.
In einer beim DKK 2012 präsentierten Studie wurde die Koexpression von HER4 als prädiktiver Marker für ein längeres rezidivfreies Überleben bei Trastuzumab-Therapie identifiziert [4]. Untersucht wurden etwa 50 Gewebeproben mittels FISH (Fluoreszenz in-situ Hybridisierung) und 160 Gewebeproben mittels PCR-Analyse (Polymerase-Kettenreaktion).
Weitere Erkenntnisse zur genauen Funktion der HER-Rezeptor-Familie und der Interaktionen untereinander könnten den individuellen Einsatz von Trastuzumab in Zukunft weiter verbessern.

(bma)

Quellen
[1] Gluz O, et al. Prospective comparison of risk assessment tools in early breast cancer (Recurrence Score, uPA/PAI-1, central grade, and luminal subtypes): final correlation analysis from the phase III WSG-Plan B trial. DKK 2012; Abstract #B20-0318.
[2] Kümmel S, et al. The Oncotype DX® Recurrence Score® Assay impacts adjuvant therapy recommendations for ERpositive (ER+), node negative (N0) and node positive (N+) early breast cancer - final results of the German decision impact study
DKK 2012; Abstract #D10-0300.
[3] Schmidt M, et al. Immunoglobulin kappa C as a plasma cell derived prognostic and predictive factor in breast cancer. DKK 2012; Abstract #D8-0175.
[4] Brockhoff G, et al. HER4 coexpression is associated with improved recurrence free survival in HER2-positve, Herceptin treated patients. DKK 2012; Abstract #76.

In Zusammenarbeit mit PD Dr. Sibylle Loibl, Neu-Isenburg/Offenbach