krebsgesellschaft.de, 27.04.2012

DKK 2012

Zahlen und Fakten aus Deutschland: Gesamtüberleben beim metastasierten Mammakarzinom stagniert, operative Therapie gut standardisiert

Mammographiescreening und Fortschritte in der operativen und adjuvanten Therapie des Mammakarzinoms haben die Prognose und Versorgung der Patientinnen in den letzten Jahrzehnten verbessert. Ernüchternd sind dagegen die Fortschritte in der Therapie des metastasierten Mammakarzinoms. Ob die Frauen im Gesamtkollektiv heute wirklich länger leben als vor 25 Jahren wird kontrovers diskutiert.

Das mediane Überleben von Patientinnen mit einem metastasierten Mammakarzinom wird derzeit mit 20 bis 28 Monaten angegeben. Randomisierte klinische Studien zur Therapie in der metastasierten Situation zeigen, wenn überhaupt, nur geringfügige Verbesserungen des Gesamtüberlebens. Ob sich diese minimalen Fortschritte im klinischen Alltag niederschlagen, wird von Experten bezweifelt.

Leben die Patientinnen heute länger als vor 25 Jahren?
Am Klinikum Oldenburg wurden die Daten von 839 Mammakarzinom-Patientinnen, die zwischen 1985 und 2009 dort behandelt wurden analysiert. Patientinnen, die ausschließlich ein Lokalrezidiv hatten, wurden nicht berücksichtigt.
Betrachtet man die Überlebenszeiten ab dem Zeitpunkt der Erstdiagnose des Tumors, so zeigt sich ein signifikanter Gewinn an Überlebenszeit über die Jahre (p=0,006). Ab dem Zeitpunkt der Metastasierung, scheinen die Überlebenszeiten jedoch zu stagnieren. Die Patientinnen im Gesamtkollektiv leben heute nicht länger als vor 1996 (27,1 Monate im Vergleich zu 30,0 Monate; p=0,58).

Hormonrezeptor-positive Tumoren besser behandelbar
Das Gesamtüberleben bei Hormonrezeptor-positiven Tumoren ist über den gesamten Zeitraum hinweg signifikant länger als bei Hormonrezeptor-negativen Tumoren (32,1 vs. 17,0 Monate; p<0,0001). Außerdem sind Frauen mit Hormonrezeptor-positivem Mammakarzinom die einzige Untergruppe, bei der ein Vergleich der Daten von 1985–1999 gegenüber 2000–2004 eine signifikante Verlängerung des Gesamtüberlebens zeigt (38,0 Monate vs. 32,0 Monate; p=0,02). Dieser Fortschritt basiert wahrscheinlich auf der Einführung zusätzlicher therapeutischer Möglichkeiten wie der Aromatasehemmer, die 1996 auf den Markt kamen, oder Fulvestrant.

Weitere Fortschritte fraglich
Ein Nachweis, dass die Einführung der Aromatsehemmer in der metastasierten Situation für alle Patientinnen, also unabhängig vom Hormonrezeptor-Status, das Behandlungsergebnis verbessert hat, ergibt sich aus den vorliegenden Daten nicht. Auch ein Einfluss der ebenfalls 1996 eingeführten Taxane auf das Gesamtüberleben beim metastasierten Mammakarzinom wird als unwahrscheinlich erachtet. Bei aggressiven Tumoren mit einem Metastasen-freien Intervall von weniger als zwei Jahren, lebten die Patientinnen vor 1996 im Median 19,1 Monate im Vergleich zu 22,0 Monate nach 1996 (p=0,86). Dass ein kurzes Metastasen-freies Intervall signifikant mit einem verkürzten Gesamtüberleben zusammenhängt, ist dagegen ein weiteres Ergebnis der Studie.

Die Herausforderung bleibt
In absehbarer Zeit wird keine Therapieoption mit dem Anspruch auf Heilung bei metastasiertem Mammakarzinom verfügbar sein. Deshalb behalten Wiederherstellung und Erhaltung der Lebensqualität durch Beseitigung von Metastasen-bedingten Beschwerden oberste Priorität.

Einführung der S3-Leitlinie in Deutschland seit 2004
Die interdisziplinäre S3-Leitlinie für die Diagnostik, Therapie und Nachsorge des Mammakarzinoms wurde in Deutschland im Jahr 2004 eingeführt und 2008 aktualisiert. Inwieweit die Empfehlungen zur operativen Therapie in der Leitlinie in Deutschland umgesetzt werden und ob möglicherweise regionale Unterschiede bestehen, war Gegenstand einer beim DKK 2012 vorgestellten Erhebung.
Ausgewertet wurden die Daten von knapp 70000 Patientinnen, die aufgrund eines primären Mammakarzinoms zwischen 1999 und 2010 operiert wurden. Die Frauen wurden in vier verschiedenen Regionen in Deutschland behandelt: in Brandenburg (n=18928), Dresden (n=9607), München (n=33496) und im Saarland (n=7556).
Der Fokus lag auf dem Anteil brusterhaltender Operationen und auf der Durchführung von Sentinellymphknoten-Biopsien.

Gibt es regionale Unterschiede?
In allen Regionen wurden sowohl brusterhaltende Operationen und Sentinellymphknoten-Biopsien bereits vor der Einführung der Leitlinie praktiziert. Gewisse regionale Unterschiede konnten bis 2003 bzw. 2007 festgestellt werden, haben sich aber in den Folgejahren nivelliert. Bis 2003 hatten Patientinnen mit einem kleinen Tumor (pT1/2) im Westen eine etwa 2,6-fach höhere Chance auf eine brusterhaltende Operation als in den östlichen Regionen. Lymphknoten-Biopsien wurden bis einschließlich 2007 im Westen etwa 3,2-mal häufiger durchgeführt als in östlichen Regionen. Seit 2008 ist aber auch dieser Unterschied nicht mehr nachweisbar. Bei den gesamten Behandlungsergebnissen war zu keiner Zeit ein Unterschied nachweisbar.   

(bma)


Quellen
[1] Ufen MP, et al. Survival of metastatic breast cancer (MBC): Is there a survival benefit over time? DKK 2012; Abstract #074.
[2] Schrodi S, et al. Implementation of the national S3 guideline recommendations for primary surgery of breast cancer patients in different regions of Germany: a population-based evaluation. DKK 2012; Abstract #0127.


In Zusammenarbeit mit PD Dr. Sibylle Loibl, Neu-Isenburg/Offenbach