krebsgesellschaft.de, 18.04.2012

DKK 2012

Prävention von Fatigue mit Methylphenidat und Milderung von Hand-Fuß-Syndromen bei Sorafenib-Therapie

Prävention unerwünschter Wirkungen: Retardiertes Methylphenidat gegen Fatigue und einschleichende Dosierung von Sorafenib mildert Hand-Fuß-Syndrom

Immer effektivere Therapien können nur unter der Voraussetzung auch in der Praxis eingesetzt werden, dass Prävention und Management von unerwünschten Begleitwirkungen ausreichend beachtet werden. Insbesondere in der palliativen Situation wünscht man sich zwar ein gutes Therapieansprechen, aber eine möglichst geringe Belastung der Patienten durch Nebenwirkungen.

Tumorassoziierte Fatigue ist die häufigste direkte Folge einer Tumortherapie, in der Regel wird sie etwa nach drei Monaten überwunden, bei einigen Patienten entwickelt sich jedoch ein chronisches Fatigue-Syndrom, das noch Monate bis Jahre nach Abschluss der Therapie anhält. Die Betroffenen sind nicht nur körperlich beeinträchtigt, sondern auch die Gefühlswelt und die kognitiven Fähigkeiten werden in Mitleidenschaft gezogen. Durch Ruhe und Schlaf lässt sich der Zustand nur unvollständig oder gar nicht beheben.
Eine Standard-Therapie für tumorassoziierte Fatigue gibt es bis heute nicht, man versucht potenzielle kausale Faktoren, wie Anämie oder Hypothyreose zu beseitigen, ansonsten sind körperliche Aktivität, Psychoedukation und Verhaltenstherapie die einzigen Möglichkeiten.

Methylphenidat – bisher widersprüchliche Ergebnisse                                                                                    Das zentrale Stimulans Methylphenidat wurde bereits in einigen Phase-II- und –III-Studien bei chronischem tumorassoziiertem Fatigue-Syndrom untersucht, allerdings sind die Ergebnisse nicht schlüssig.
Nun wurde Methylphenidat in retardierter Form in einer randomisierten Studie mit Plazebo verglichen. 25 Patienten bekamen Methylphenidat mit verzögerter Wirkstofffreisetzung über drei Wochen in steigender Dosierung (20 mg/Tag in der ersten Woche, 40 mg/Tag in der zweiten Woche und 60mg /Tag in der dritten Woche). 28 Patienten bekamen Plazebo. Primärer Endpunkt der Studie war die Veränderung des Fatigue-Syndroms, beurteilt mit dem MFI-Fragebogen (Multidimensional fatigue inventory). Zu Beginn der Studie hatten die Teilnehmer Werte von über 40 auf der MFI-Skala.

Retardiertes Methylphenidat bessert einzelne Faktoren
Bei den Patienten in der Verum-Gruppe nahm der MFI-Wert im Mittel um 22 und bei den Plazebo-Patienten um 13 Punkte ab. Der Unterschied lässt zwar einen Trend zugunsten des Psychostimulans erkennen, ist aber statistisch nicht signifikant.
Ein signifikanter Unterschied ergab sich bei der als sekundärer Endpunkt erhobenen ärztlichen Beurteilung mit der CGI-Skala (Cinical global impression scale). Ebenso wurden bei den kognitiven Fähigkeiten signifikante Verbesserungen gemessen (EORTC-QLQ-C30).
Beim primären Endpunkt (MFI) konnte in der Gesamtpopulation zwar kein signifikanter Unterschied zwischen Methylphenidat- und Plazebo-Gruppe nachgewiesen werden, aber man sieht in der Studie einzelne Patienten, die von der Therapie mit Methylphenidat profitiert haben. Durch die Analyse verschiedener Subgruppen sollen mögliche Unterschiede identifiziert werden.

Sorafenib bei fortgeschrittenem Mammakarzinom
Mit dem Multikinase-Hemmer Sorafenib (Nexavar®) wurde bei Patientinnen mit fortgeschrittenem Mammakarzinom in Kombination mit Paclitaxel, Gemcitabin oder Capecitabin in Phase-II-Studien eine gute Effektivität gezeigt. Allerdings entwickelt die Mehrzahl der Patienten unter der Therapie mit Sorafenib ein Hand-Fuß-Syndrom, das in vielen Fällen als schwerwiegend einzustufen ist.
In einer Phase-II-Studie mit 140 Patientinnen mit fortgeschrittenem Mammakarzinom, angelegt zum Vergleich von Sorafenib plus Paclitaxel versus einer Paclitaxel-Monotherapie als Zweit- oder Drittlinientherapie, wurde Sorafenib in einschleichender Dosierung verabreicht: Die Frauen bekamen während des ersten Behandlungszyklus 400mg/Tag, im zweiten Zyklus 600mg/Tag und erst ab dem dritten Zyklus 800mg Sorafenib täglich.

Weniger schwerwiegende Hand-Fuß-Syndrome bei einschleichender Dosierung
Bei der ersten Zwischenanalyse der Verträglichkeit – 20 Frauen waren gemäß Studienprotokoll behandelt worden – viel eine geringere Inzidenz schwerwiegender Hand-Fuß-Syndrom (Grad 3) im Vergleich zu bisherigen Studien auf. Zwar hatten 5 von 10 Frauen, die mit Sorafenib behandelt wurden, ein Hand-Fuß-Syndrom entwickelt, aber nur bei 2 Frauen war die Ausprägung vom Schweregrad 3 (20%). Aus anderen Studien sind Raten mit 30 bis 45% schwerwiegender Hand-Fuß-Syndrome bekannt.
Die einschleichende Dosierung könnte demnach eine effektive Möglichkeit sein, schwerwiegende Hand-Fuß-Syndrome zu vermeiden.
(bma)


Quellen
[1] Heim ME, et al. Randomized placebo-controlled double-blind study of modified methylphenidate on cancer-related fatigue (CRF). DKK 2012; Abstract #B25-0058.
[2] Overkamp F, et al. Reduced HFSR incidence observed in a randomized phase II study in advanced breast cancer patients treated with sorafenib and paclitaxel by initial ramp-up dose escalation (PASO). DKK 2012; Abstract #26.

In Zusammenarbeit mit PD Dr. Sibylle Loibl, Neu-Isenburg/Offenbach

Aktualisiert am: 23.01.12 - 10:00